Chinesische Ingenieure haben einen funktionsfähigen Prototyp einer EUV-Lithografiemaschine gebaut – jener Technologie, die angeblich auf Jahrzehnte uneinholbar sein sollte. Die Nachricht markiert nicht nur einen technologischen Durchbruch, sondern entlarvt auch eine westliche Selbsttäuschung, die historisch immer in die Irre geführt hat.
Von Ralf Keuper
Im Januar hatte ich mich in dem Beitrag ASML passiert strategischen Wendepunkt mit der Frage beschäftigt, ob ASML seinen technologische Vorsprung noch lange wird halten können. Jetzt wurde bekannt, dass In einem Hochsicherheitslabor in Shenzhen seit Anfang 2025 ein Prototyp steht, der einigen Wirtschaftslenkern und Politikern in Europa und den USA den Schlaf rauben dürfte: eine EUV-Maschine, gebaut von ehemaligen ASML-Ingenieuren, die unter Pseudonymen arbeiten und das Gelände während der Arbeitswoche nicht verlassen dürfen. Das Projekt, in Fachkreisen bereits als „Chinas Manhattan-Projekt“ bezeichnet, wird direkt von Xi Jinpings Vertrautem Ding Xuexiang koordiniert.
Noch im April hatte ASML-Chef Christophe Fouquet erklärt, China werde „viele, viele Jahre“ brauchen, um aufzuschließen. Die Existenz des Prototyps widerlegt diese Einschätzung. Zwar produziert die Maschine noch keine funktionsfähigen Chips, und die Präzision der Zeiss-Optiken bleibt unerreicht. Doch die Richtung ist eindeutig: China will sich von westlicher Halbleitertechnologie unabhängig machen – und kommt dabei schneller voran als erwartet.
Die Grove-Diagnose
Der ehemalige Intel-CEO Andy Grove formulierte in seinem Buch „Nur die Paranoiden überleben“ drei Fragen für die Diagnose strategischer Wendepunkte: Ändert sich der Hauptkonkurrent? Ändert sich die Branchenstruktur? Haben die eigenen Leute noch den Kontakt zum Markt?
Wendet man dieses Raster auf ASML an, fällt die Antwort unbequem aus.
- Erstens: Der Hauptkonkurrent ändert sich – wobei ASML bisher gar keinen hatte. ASML steht mit seinen EUV-Lithographieanlagen so ziemlich einzig da. Genau das ist das Bedrohliche an strategischen Wendepunkten: Sie kommen aus Richtungen, die im etablierten Wettbewerbsschema nicht vorgesehen sind.
- Zweitens: Die Branchenstruktur verschiebt sich. DeepSeek hat mit seinen KI-Modellen V3 und R1 demonstriert, dass hocheffiziente Algorithmen mit weniger und älteren Chips auskommen können. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, relativiert das die Notwendigkeit von EUV-gefertigten Spitzenchips – und damit ASMLs Geschäftsmodell.
- Drittens: Bei Monopolisten wie ASML entsteht leicht eine institutionelle Selbstgewissheit, die Warnsignale systematisch ausblendet. Die Aussagen von CEO Fouquet klingen verdächtig nach dieser Selbstberuhigung. Grove beschrieb genau dieses Phänomen: „Meistens wird ein strategischer Wendepunkt schrittweise erkannt. Zuerst hat man das beunruhigende Gefühl, dass etwas anders ist.“
Der historische Irrtum
Die Vorstellung eines „uneinholbaren“ technologischen Vorsprungs ist historisch betrachtet naiv. Sie widerspricht allem, was wir über technologische Diffusion wissen.
Die britische Textilindustrie versuchte im 19. Jahrhundert mit drakonischen Strafen zu verhindern, dass Maschinenbauer emigrieren oder Konstruktionspläne das Land verlassen. Samuel Slater baute trotzdem die erste amerikanische Spinnerei aus dem Gedächtnis nach. Die Sowjetunion brauchte vier Jahre, um die Atombombe zu replizieren – nicht Jahrzehnte. Japan holte in der Halbleitertechnik innerhalb von fünfzehn Jahren auf, Korea in der nächsten Generation ebenso. China wurde beim Hochgeschwindigkeitszug innerhalb einer Dekade vom Lizenznehmer zum Weltmarktführer.
Der systematische Fehler liegt in der Verwechslung von Komplexität mit Geheimhaltbarkeit. ASML-Maschinen sind extraordinär komplex, aber sie beruhen auf bekannten physikalischen Prinzipien. EUV-Lithographie nutzt Plasma-Lichtquellen, Multilayer-Spiegel, Vakuumtechnik – alles Gebiete, in denen publizierte Forschung existiert. Die Präzision der Zeiss-Optiken ist beeindruckend, aber sie folgt den Gesetzen der Optik, nicht einem magischen Rezept. Wer genug Ress…

