Von Ralf Keuper

Das Maschinenbauunternehmen Trumpf aus Ditzingen im Landkreis Ludwigsburg verkörpert wie kaum ein anderes Unternehmen die Geschichte des deutschen Maschinenbaus der vergangenen Jahrzehnte. Unter der Führung von Berthold Leibinger entwickelte sich das Unternehmen von einem regionalen Mittelständler zu einem der weltweit führenden Anbieter von Werkzeugmaschinen und Lasertechnologien. Leibingers visionäre Fähigkeit, technologische Trends frühzeitig zu erkennen und konsequent in marktreife Produkte umzusetzen, begründete den Erfolg des Unternehmens. Durch massive Investitionen in Forschung und Entwicklung positionierte er Trumpf an der Spitze technologischer Innovation, insbesondere in der EUV-Technologie (Extreme Ultraviolet Lithography), die heute für die Halbleiterindustrie von entscheidender Bedeutung ist.

Doch allen Erfolgen zum Trotz steht Trumpf heute exemplarisch für den schleichenden Niedergang des deutschen Maschinenbaus. Die jahrzehntelang verfolgte Strategie, technisch anspruchsvolle und komplexe Maschinen zu hohen Anschaffungs- und Unterhaltungskosten anzubieten, erweist sich zunehmend als Sackgasse. Anders als in früheren Krisen handelt es sich diesmal nicht um eine vorübergehende Absatzkrise, sondern um eine fundamentale Strukturkrise.

Rückblick: Die Krise der 1990er Jahre und ihre Lehren

Die deutsche Maschinenbauindustrie durchlebte bereits zu Beginn der 1990er Jahre eine schwere Krise, die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen die Existenz kostete. Damals entstand in Unternehmens- und Bankenkreisen die Idee zur Gründung einer Deutschen Werkzeugmaschinen AG, vorangetrieben von Deutsche Bank-Vorstand Rolf E. Breuer. Die Maschinenbauer Deckel, Maho, Gildemeister und Traub befanden sich in existenzbedrohenden Schwierigkeiten, während Trumpf noch eine vergleichsweise gute Ertragslage aufwies. Diese Konsolidierungsidee wurde später teilweise durch die Fusion von Deckel, Maho und Gildemeister zu DMG und später DMG Mori realisiert.

In einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin TopBusiness vom April 1992 identifizierte Berthold Leibinger, damals sowohl VDMA- als auch Trumpf-Chef, das Kernproblem der Branche: „Ein Generalproblem des deutschen Maschinenbaus ist sicherlich die zu große Produktvielfalt vieler Unternehmen. Wir müssen bei Erhaltung des technischen Vorsprungs zu größeren und damit kostengünstigeren Serien kommen – und zwar nicht nur durch Zurückschneiden der Variantenvielfalt, sondern auch der Komplexität in den Produkten.

Bereits ein Jahr zuvor hatte das Industriemagazin erkannt, dass sich die „Flucht des deutschen Maschinenbaus in das High End“ als Sackgasse entpuppen würde. Die Fokussierung auf technisch höchst anspruchsvolle Lösungen nach Maß führte zum Verlust der Volumenmärkte, während gleichzeitig Variantenvielfalt und Komplexitätskosten stiegen. Damals drängten die „technologisch bedrohlich nahegerückten Japaner in die Maschinen-Oberklasse“.

Unternehmensberater, Branchenbeobachter und Wirtschaftsredakteure empfahlen eine konsequente Orientierung am Kundennutzen statt am technisch Machbaren, ein günstiges Preis-Leistungsverhältnis durch Produktvereinfachung sowie Variantenminimierung. Als positive Beispiele für diese Strategie galten seinerzeit Trumpf und der Verpackungsanlagen-Hersteller Schubert.

Die Gefahr der Pfadabhängigkeit

Heute stellen nicht mehr die Japaner die größte Bedrohung dar, sondern chinesische Produzenten, die mit Erfolg in die „Oberklasse“ des Maschinenbaus vordringen. Das Problem liegt tiefer: Branchen und Unternehmen, die über einen längeren Zeitraum erfolgreich waren, neigen dazu, die Zukunft als Fortsetzung der Gegenwart zu betrachten. Dieser Denkstil führt zum Phänomen der Pfadabhängigkeit, das derzeit besonders ausgeprägt im Südwesten Deutschlands und hier vor allem in der Region Stuttgart zu beobachten ist.

Um die Automobilhersteller herum hat sich über Jahrzehnte ein Netzwerk von Zulieferern gebildet, die direkt oder indirekt in beträchtlichem Ausmaß vom Erfolg dieser Branche abhängen. Das betrifft auch Unternehmen wie Trumpf, die sich durch ihr Engagement in der Halbleitertechnologie als Zulieferer von ASML weitere Standbeine aufgebaut haben. Diese transaktionsspezifischen Investitionen oder „Sunk Costs“ erzeugen eine Haltung des „Wir sind die Besten – ohne uns geht es nicht“, für die gerade Ingenieure besonders anfällig sind.

Das Problem der Pfadabhängigkeit zeigt sich dramatisch, wenn neue Technologien und Mitbewerber erscheinen und sich die Umweltbedingungen „unerwartet“ verändern. Die Automobilhersteller fahren ihre Investitionen zurück, wodurch der Bedarf an neuen Maschinen und Automatisierungslösungen sinkt. Chinesische Hersteller wie BYD, die derzeit den Automobilmarkt aufrollen, benötigen keine deutschen Maschinenbauer mehr – sie greifen, auch auf Druck der chinesischen Regierung, auf einheimische Anbieter zurück.

Eingetreten ist, was der damalige Intel-Chef Andy Grove als „strategischen Wendepunkt“ bezeichnete: „Ein Wendepunkt liegt dort, wo sich das alte Bild einer Strategie auflöst und einem neuen weicht, das es dem Unternehmen ermöglicht, zu neuen Höhen aufzusteigen. Wenn Sie jedoch den Kurs Ihres Unternehmens an einem Wendepunkt nicht sorgfältig steuern, passieren Sie einen Gipfelpunkt und danach geht das Geschäft zurück.“

ASML am Wendepunkt

Auch ASML, einer der wichtigsten Kunden von Trumpf und Zeiss, befindet sich an einem strategischen Wendepunkt. Die Geschäfte liefen zuletzt ausgezeichnet, und die Branche war überzeugt, dass Intel, AMD, TSMC und andere ohne ASML-Maschinen nicht produzieren können. Doch ein solcher Zustand dauert in der Wirtschaftsgeschichte nie ewig an.

Chinesischen Wissenschaftlern am Harbin Institute of Technology ist es gelungen, eine kompakte und stabile EUV-Lichtquelle zu entwickeln, die für die Produktion fortschrittlicher Chips mit Strukturgrößen unter sieben Nanometern essenziell ist. Das Projekt wurde kürzlich mit dem ersten Preis beim Harbin Provincial Innovation Achievement Transformation Competition ausgezeichnet. Die Forschungsgruppe unter Professor Zhao Yongpeng hat einen völlig anderen technologischen Ansatz als westliche Methoden zur Erzeugung von EUV-Laserlicht gewählt.

Darüber hinaus hat Huawei Gerüchten zufolge ein eigenes EUV-Equipment entwickelt. Während westliche Experten noch skeptisch sind, ob China in absehbarer Zeit EUV-Lithografiemaschinen in großen Mengen und ausreichender Qualität herstellen kann, sollten die Erfahrungen mit Tesla und der chinesischen Batterietechnologie zur Vorsicht mahnen. China setzt auf eine Doppelstrategie aus Eigenentwicklung (LDP-Technologie) und Prozessoptimierung, um trotz Exportbeschränkungen wettbewerbsfähige Chips herzustellen.

Grenzen von Lobbyismus und Selbstinszenierung

Wenn Unternehmen spüren, dass ihnen die Situation zu entgleiten droht, greifen sie häufig auf PR, Lobbyismus und Selbstinszenierung zurück. Die Trumpf-Chefin Nicola Kammüller-Leibinger gilt als besonders gut vernetzt und äußert sich regelmäßig in Interviews zu Themen, bei denen für Außenstehende schwer erkennbar ist, welche fachliche Expertise sie mitbringt. Ihr Bruder ist seit kurzem BDI-Präsident. In der guten alten Zeit der „Deutschland AG“ wäre dies noch als kluger Schachzug durchgegangen. Heute, wo Deutschland und die EU an wirtschaftlicher Bedeutung verlieren, erweist sich dies als suboptimal und wohl von dem Gedanken getragen, sich unliebsame Konkurrenz vom Halse zu schaffen.

Das Problem dabei ist, dass es relativ einfach ist, ahnungslose Wirtschaftsjournalisten für das eigene Unternehmen zu begeistern – insbesondere wenn das Unternehmen erfolgreich ist. Kritisch wird es, wenn Journalisten glauben, einem ultimativen „Erfolgsgeheimnis“ auf die Spur gekommen zu sein. Das Schlimme ist, dass irgendwann die Unternehmen und ihr Management das glauben, was über sie geschrieben wird. Gute Presse sollte jedem Unternehmen zu denken geben, da sie oft dem „Halo-Effekt“ unterliegt und der Eitelkeit der Portraitierten schmeichelt.

Der Niedergang nach Leibinger

Die Erfolge von Trumpf gehen größtenteils noch auf Berthold Leibinger zurück, der bereits als Diplomand bei Trumpf das sogenannte „Nibbeln“ – schrittweises Stanzen – entwickelte. Nach einem Zwischenstopp beim Trumpf-Konkurrenten Cincinnati Milacron in den USA kehrte er 1961 zu Trumpf zurück und brachte unschätzbare Erfahrungen mit. 1967 baute Trumpf als erster Hersteller weltweit ein NC-gesteuertes Blechbearbeitungszentrum zum Stanzen, Nibbeln, Bohren, Fräsen und Umformen. Weitere bahnbrechende Innovationen waren das Plasma-Schweißverfahren und die Laser-Schneidetechnik, die Trumpf als erstes Unternehmen weltweit anbot. Zuletzt kam noch die EUV-Technologie hinzu. Leibinger verstarb 2018.

Das Experiment mit der digitalen Produktionsplattform Axoom brachte nicht den gewünschten Erfolg und wurde an GFT abgegeben.

Mittlerweile lässt sich feststellen, dass Trumpf sieben Jahre nach Leibingers Tod seinen Zenit längst überschritten hat. Ein Berthold Leibinger lässt sich nicht ersetzen – das ist Triumph und Tragik herausragender Unternehmer zugleich.

Strukturkrise statt Absatzkrise

Die Tatsache, dass Trumpf seinen Personalbestand um 1.000 Mitarbeiter reduzieren will, ist Zeichen einer anhaltenden Strukturkrise und eines Managements, das nicht erkannt hat, dass es einen strategischen Wendepunkt passiert hat. Bereits seit Monaten verzichten 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einen Teil ihres Gehalts, während das Unternehmen im vergangenen Jahr den Personalstand sogar noch erhöht hatte.

In seinem Interview von 1992 antwortete Berthold Leibinger auf die Frage, ob es nicht zu einfach sei, die Probleme des deutschen Maschinenbaus auf äußere Umstände zurückzuführen: „Das will ich auch nicht behaupten. Aber bedenken Sie, dass wir noch 1990 in weiten Teilen des Maschinenbaus größte Mühe hatten, der Aufträge Herr zu werden. Sicher sind in den Boomzeiten strukturelle Probleme vernachlässigt worden, die jetzt um so schärfer hervortreten.“

Der entscheidende Unterschied zu damals liegt darin, dass sich die strukturellen Probleme heute nicht mehr auf betrieblicher oder nationaler Ebene beheben lassen. Wer der Bundespolitik öffentlich Ratschläge erteilt, sollte den eigenen Laden im Griff haben. Die aktuelle Massenentlassung hat diese Position nicht gestärkt – eher im Gegenteil.

Fazit: Zeit für einen Paradigmenwechsel

Investitionen und Subventionen, die in die deutsche Automobilindustrie und den ihr angegliederten Maschinenbau fließen, sind klassische Fälle einer Fehlallokation von Ressourcen. Branchen, die nicht mehr aus sich heraus überlebensfähig sind, sollte man nach Schumpeter in Würde sterben lassen und damit Platz für dringend benötigtes Neues schaffen.

Wie Herbert Giersch treffend formulierte: „Eine Industriepolitik, die sich auf die Unterstützung ganz bestimmter Wirtschaftsaktivitäten konzentriert, wird dazu neigen, das zu begünstigen, was schon da ist und was man kennt: Menschen oder Wähler, die vor Konkurrenz geschützt werden wollen; Produkte, die es schon lange gibt, Innovationsprozesse, die sich schon anderswo durchgesetzt haben. Zukunftsorientierte Ressourcen sind für solches Drängen an die Subventionskrippe angesichts alternativer Verwendungsmöglichkeiten viel zu knapp.“

Die Geschichte von Trumpf zeigt eindrücklich, wie schnell sich auch scheinbar unantastbare Marktpositionen verändern können. Der deutsche Maschinenbau steht vor der Wahl: Entweder er findet den Mut zu radikalen Veränderungen, oder er wird Zeuge seines eigenen Niedergangs werden.

Update:

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