Generative KI soll das Wissen ausscheidender Mitarbeiter inventarisieren und vor dem Verschwinden bewahren. Doch die Hoffnung beruht auf mehreren Missverständnissen: Unternehmen funktionieren gerade deshalb, weil Mitarbeiter austauschbar sind. Kein halbwegs gut geführtes Unternehmen ist je an Wissensverlust gescheitert. Und mehr noch: Es ist sogar wünschenswert, dass sich Organisationen vom Wissen der Älteren befreien – nur so bleiben sie adaptionsfähig. Was Peter Drucker „Organized Abandonment“ nannte und Tor Nørretranders als „Exformation“ beschrieb, zeigt: Das eigentlich Wertvolle ist nicht das Wissen, das man hat – sondern die Fähigkeit zu wissen, was man weglassen und vergessen kann.
„Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß“ – dieser Heinrich von Pierer zugeschriebene Satz aus den 1990er Jahren erlebt gegenwärtig eine Renaissance. Was damals Intranets und Wissensdatenbanken versprachen, soll nun generative KI einlösen: das verstreute Unternehmenswissen endlich verfügbar machen, durchsuchbar, nutzbar. Besonders drängend erscheint dies angesichts der demografischen Welle: Bis 2036 werden rund 13 Millionen Erwerbstätige in Deutschland in den Ruhestand gehen. Ihr Erfahrungswissen, so die Befürchtung, geht unwiederbringlich verloren.
Die Lösung scheint auf der Hand zu liegen: KI-Systeme durchforsten E-Mails, Dokumente, Protokolle der ausscheidenden Mitarbeiter und destillieren daraus abrufbares Wissen für die Nachfolger. BahnGPT bei der Deutschen Bahn, ähnliche Projekte bei Konzernen weltweit – die Hoffnung ist groß. Doch sie beruht auf einer dreifachen Illusion.
Die Verfügbarkeitsillusion
Die erste Illusion betrifft die Natur des Wissens selbst. Was sich in E-Mails und Dokumenten niederschlägt, ist bereits externalisiertes, also explizites Wissen. Das eigentlich wertvolle implizite Wissen – das „Knowing how“ im Sinne Michael Polanyis – entzieht sich per Definition der Dokumentation. Es ist verkörpert in Handgriffen, eingebettet in Netzwerke, gebunden an Kontexte.
Generative KI kann bestenfalls durchsuchbare Archive des bereits Explizierten schaffen. Sie extrahiert nicht das Wissen, das nie verschriftlicht wurde – weil es sich gar nicht verschriftlichen lässt. Die Intuition des erfahrenen Ingenieurs, der am Klang einer Maschine deren Zustand erkennt, das Gespür der Vertriebsleiterin für den richtigen Moment im Kundengespräch: All das bleibt der KI-Inventarisierung systematisch entzogen.
Hinzu kommt: Aus expliziter Information in einer Datenbank wird erst durch situative Anwendung wieder echtes Handlungswissen. Wissen ist kein Rohst…

