Management Summary
Ausgangslage
Peter Druckers Klassiker „Sinnvoll Wirtschaften“ (1964) definierte Wissen als zentrale Kraftquelle unternehmerischen Erfolgs. Seine These: Nur durch spezifisches Wissen kann sich ein Unternehmen auszeichnen, nur aufgrund seines Wissens schafft es, was der Markt bewertet. Diese Prämisse steht durch Generative KI fundamental zur Disposition.
Kernbefund
Druckers Rahmen bleibt methodisch wertvoll, seine Antworten müssen jedoch neu gegeben werden. Die Demokratisierung von Wissen durch GenAI entwertet explizites Wissen als Differenzierungsmerkmal. Wenn jedes Unternehmen Zugang zu denselben Sprachmodellen hat, dieselben Analysen erstellen kann – wo liegt dann noch die „Kernzone des Wissens“?
Was sich verändert
- Beschleunigte Wissensentwertung: Druckers Einsicht, dass jedes Wissen zu „Fehl-Wissen“ wird, galt früher über Jahre. Heute kann das in Monaten geschehen.
- Aufgehobene Spezialisierungsgrenzen: Kleine Teams können plötzlich Kompetenzen abdecken, die früher spezialisierte Abteilungen erforderten.
- Effizienz statt Effektivität: Die meisten GenAI-Implementierungen sind Problemlösungen (Kosten senken, Prozesse beschleunigen). Die Frage nach neuen Möglichkeiten bleibt unbeantwortet – obwohl Drucker genau hier den Hebel sah.
Der Einwand: Implizites Wissen
Explizites Wissen ist replizierbar – aber gilt das auch für implizites Wissen? Für das Erfahrungswissen, das situativ abgerufen wird, ohne dokumentiert zu sein?
Dieses Wissen ist tatsächlich schwerer automatisierbar: kontextgebunden, körperlich verankert, oft kollektiv. Der erfahrene Vertriebsleiter, der spürt, dass ein Kunde abspringt. Der Produktentwickler, der intuitiv weiß, welche Kompromisse funktionieren.
Aber: Drei Einschränkungen sind zu beachten. Erstens überschätzen Unternehmen systematisch ihr implizites Wissen – oft ist es schlicht mangelnde Dokumentation. Zweitens kann GenAI implizites Wissen approximieren, wenn genügend Daten vorliegen. Drittens ist implizites Wissen nur dann wertvoll, wenn es distinktiv ist und vom Markt belohnt wird.
Differenzierung nach Ebenen
- Operatives implizites Wissen (Produktion, Prozesse, Ausführung): zunehmend substituierbar durch Daten, Sensorik, maschinelles Lernen.
- Strategisches implizites Wissen (Marktverständnis, Kundenbeziehungen, Innovationsgespür): vorläufig geschützt – aber „vorläufig“ ist das operative Wort.
Relevanz für deutsche Unternehmen
Die traditionelle deutsche Stärke – akkumuliertes Ingenieurswissen, Erfahrungswissen der Facharbeiter, „German Engineering“ – wird gerne als uneinholbar dargestellt. Das ist gefährliche Selbstberuhigung. Die japanische Automobilindustrie hat in den 1980ern gezeigt, dass vermeintlich implizites Produktionswissen sehr wohl explizierbar und transferierbar ist.
Die Frage „Wo liegt unsere besondere Stärke?“ muss neu gestellt werden. Die Antwort kann nicht mehr lauten: „Wir verstehen Maschinenbau besser als andere.“
Neue diagnostische Fragen
Druckers Wissensanalyse muss erweitert werden:
- Welches Wissen ist durch GenAI replizierbar – welches nicht?
- Liegt unsere Stärke im Wissen selbst oder im Kontext seiner Anwendung?
- Ist unser „spezifisches Wissen“ tatsächlich spezifisch oder nur eine historisch gewachsene Informationsasymmetrie?
- Reicht unser implizites Wissen als Schutzwall – und wie lange?
Was bleibt
Druckers Grundeinsicht ist unverändert gültig: Ergebnisse liegen außerhalb des Unternehmens. Der Verbraucher entscheidet, ob Leistung belohnt wird. GenAI verschiebt interne Produktionsmittel, aber nicht diese externe Logik.
Ebenso aktuell: Seine Warnung vor Problemfixierung. Erfolge entstehen durch Ausnutzen von Möglichkeiten, nicht durch Problemlösungen. Die meisten GenAI-Projekte verfehlen genau das.
Handlungsempfehlung
Nicht fragen: „Haben wir implizites Wissen?“ – das hat jede Organisation. Sondern: „Ist unser implizites Wissen distinktiv, wird es vom Markt belohnt, und wie lange kann es sich gegen die approximierende Kraft von Daten und Algorithmen behaupten?“
Druckers Methode – das schonungslose Fragen nach dem, was wirklich den Unterschied macht – ist aktueller denn je. Nur dass „Wissen“ als Antwort nicht mehr genügt.
Peter Drucker: Sinnvoll Wirtschaften – Zusammenfassung
Grundthese: Ergebnisse liegen außerhalb des Unternehmens
Druckers zentrale Erkenntnis: Weder Ergebnisse noch Kraftquellen befinden sich innerhalb des Unternehmens. Innerhalb gibt es nur Kostenstellen, keine Gewinnzentren. Der Erfolg wird nicht durch interne Kontrolle bestimmt, sondern durch jemand außerhalb – in der Marktwirtschaft ist das der Verbraucher, der entscheidet, ob die Leistung belohnt oder vertan wird.
Wie aktuell sind seine Aussagen heute noch? Welchen Wert hat implizites Wissen künftig noch?
Wissen als einzige echte Kraftquelle
Das Unternehmen verfügt über zwei Hauptkraftquellen: Wissen (Fachpersonal für Einkauf, Verkauf, Kundendienst, technische Aufgaben, Unternehmensführung) und Geld. Von diesen ist Wissen die entscheidende:
- Wissen ist keine Ressource wie Kapital oder Ausrüstung. Es ist ein „überall anzutref…

