Spätestens seit dem Dieselskandal ist offensichtlich geworden, dass Volkswagen in eine Sackgasse geraten ist. Wirkliches Neues ist dem Unternehmen eigentlich seit 50 Jahren nicht mehr gelungen. Bis zum Ausscheiden von Heinrich Nordhoff als Vorstandschef hing der Erfolg von VW fast vollständig vom Käfer ab. Sein Nachfolger Kurt Lotz erkannte schon bald, dass VW sich nicht allein auf den Käfer verlassen konnte und regte daher die Entwicklung neuer Modelle an. Nach nur drei Jahren trat Lutz im Jahr 1971 als Vorstandsvorsitzender zurück. Sein Nachfolger wurde Rudolf Leiding.
Noch keine drei Wochen im Amt, stoppte er wegen zu hoher Produktionskosten den vor der Serieneinführung stehenden Käfer-Nachfolger EA 266 – einen von Ferdinand Piëch bei Porsche konzipierten Mittelmotorwagen. Damit erwiesen sich über drei Jahre Entwicklungsarbeit als hinfällig, und Leiding setzte die Entwicklung neuer Modelle durch. Unter Leidings Führung wurden erfolglose Modelle wie der VW Typ 4 und der VW 1600 abgesetzt und das Modellprogramm mit den VW-Modellen Passat (1973), Scirocco (Frühjahr 1974), Golf (Herbst 1974), Polo (1975) und den beiden Audi-Modellen Audi 80 (1972) und Audi 50 (1974) ausgebaut. Der Erfolg dieses Kraftaktes – die Entwicklung sechs neuer Modelle innerhalb weniger Jahre – zeigte sich aber erst in den Folgejahren nach Leidings Abschied.
Die Früchte erntete der Nachfolger Leidings, Toni Schmücker. Zusammen mit dem damaligen AR-Vorsitzenden von VW, Hans Birnbaum, setzte Schmücker gegen den Widerstand der Gewerkschaften den Bau einer VW-Produktionsstätte in den USA durch. Unter Schmücker und dem damaligen Audi-Chef Wolfgang Habbel wurde Audi als Premiummarke positioniert. Seitdem gilt: Mehr vom Gleichen.
Der damalige AR-Vorsitzende und Vorstandschef von Salzgitter, Hans Birnbaum, zollte Leiding (und damit in gewisser Weise auch dessen Vorgänger Lutz) Respekt[1]Stahljahre. Unternehmer in schwieriger Zeit (Hans Birnbaum):
Leidings Verdienst war es, trotz der kritischen Lage, in der sich VW befand, unbeirrt an der Produktionsreife der neuen Modelle, vor allem des Golf, zu arbeiten. Vielleicht war es nur einem so engagierten Techniker und Praktiker wie Leiding gegeben, sich derart konzentriert mit dieser Aufgabe zu befassen und sich durch nichts, auch nicht durch immer schlechtere Bilanzen beirren zu lassen. Dass dagegen andere Veranwortliche sowohl im Aufsichtsrat als auch Vorstand zunehmend unruhiger wurden, ist ebenso erklärlich. VW setzte zu dieser kritischen Zeit alles auf die Karte >Neue Modelle<. Ich weiß nicht, was aus VW geworden wäre, hätte diese Karte nicht gestochen.
Danach hat kein Nachfolger im Amt des Vorstandsvorsitzenden bei VW gegeben, der seine eigene Karriere der Sache wegen aufs Spiel gesetzt hätte[2]auch das “Technische Genie” Ferdinand Piech nicht. Heute würden allein schon die Investoren Alarm schlagen, wenn ein Vorstandsvorsitzender alles auf eine Karte setzen würde. Was wir jetzt sehen, ist nur noch hektischer Aktionismus. Mit radikalen Kostensenkungen allein kommt VW nicht mehr in Erfolgsspur zurück. Allerdings wäre eine echte Kurskorrektur mit enormen Risiken und Kosten verbunden …
References
↑1 | Stahljahre. Unternehmer in schwieriger Zeit (Hans Birnbaum) |
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↑2 | auch das “Technische Genie” Ferdinand Piech nicht |