Von Ralf Keuper
Einige Jahre bevor der Diesel-Skandal die deutsche Automobilindustrie erschütterte und bevor Tesla die Platzhirsche Daimler, BMW und VW alt aussehen ließ, ging der ehemalige Chefvolkswirt von BMW mit der deutschen Paradebranche in Ausgebremst. Wie die Automobilindustrie Deutschland in die Krise fährt hart ins Gericht. Die Diagnose fiel daher wenig erfreulich aus:
Auch wenn die Wahrheit schmerzhaft ist: Die deutsche Autoindustrie hat am Standort Deutschland ihren Zenit überschritten. Sie bleibt zwar auch auf absehbare Zukunft der Motor der deutschen Wirtschaft, ein Motor, der allerdings bereits deutlich an Drehzahl verloren hat.
Die Kostenstrukturen der Hersteller sorgen dafür, dass die Margen über die Jahre kontinuierlich gesunken sind, über alle Autoklassen hinweg:
Deutlich sinkende Ertragsmargen im Kerngeschäft bei allen OEMs, auch bei den sogenannten Nobelmarken, haben teilweise zu spektakulären Kostensenkungsprogrammen mit massivem Belegschaftsabbau geführt. Im Volumensegment machen einige tradierte Autohersteller bereits seit mehreren Jahren im operativen Geschäft teilweise sogar noch zunehmende Verluste. Und rücken langsam, aber sicher in die Nähe eines Marktaustritts, jedenfalls wenn die Mutterkonzerne, selbst in Not, Quersubventionen nicht mehr durchhalten wollen.
Heute bestimme die Nachfrage, der Kunde die Automobilproduktion, was zu einer überbordenden Variantenvielfalt geführt habe, die einen erheblichen Entwicklung- und Logistik-Mehraufwand zur Folge hatte. Nur wenige Hersteller erreichen in den neuen Nischenmärkten den für die Profitabilität nötigen Mindestabsatz an Autos. Die Automobilindustrie stehe daher in einem oligopolistischen Verdrängungswettbewerb.
In der Vergangenheit konnte sich die deutsche Automobilindustrie mit zahlreichen Innovationen im Premium-Segment festsetzen. Ein Fehler, so Becker, sei es gewesen, in den hochwertigen und teuren Autos verstärkt Plastik zu verwenden. Dieser Widerspruch lasse sich auf Dauer nicht durchhalten bzw. vermitteln. Becker macht für dieses Dilemma die hohen Lohn- und Lohnnebenkosten verantwortlich. Auch haben es die deutschen Hersteller versäumt, neue Märkte, wie China, rechtzeitig mit passenden Modellen zu bedienen.
Eine weitere Ursache für den schleichenden Niedergang der deutschen Automobilindustrie ist die Fixierung auf den Shareholder Value, jedenfalls seine einseitige Auslegung. Eine Strategie, die, wie bei Siemens, Bosch und Daimler über Jahrzehnte, den Kundennutzen in Vordergrund stellt, führt fast schon zwangsläufig zu einem hohen Shareholder Value.
Die Arbeitsplätze bei Bosch und Daimler, bei Siemens und der AEG entstanden, weil deren Produkte am Markt Erfolg hatten.
Das wohl größte Problem der deutschen Premiumhersteller bestehe in dem Hang zum “Over-Engineering”, d.h. alles was sich irgendwie entwicklen und einbauen lässt, wird auch umgesetzt. Ob das nun noch sinnvoll ist und von den Kunden, jedenfalls außerhalb Deutschland, so benötigt und goutiert wird, steht auf einem anderen Blatt.
Fast schon prophetisch muten folgende Worte an:
Die deutsche Autoindustrie hat nichts dazugelernt. Sie behauptet zwar, kreativ zu sein und weltweit die modernste Technik zu bieten. Mag sein, dass sie von Kurbelwellen, Drehmomenten, Doppel-Gelenk-Hinterachsen, CommenRail, BlueTec Dieseltechnik etc. sehr viel versteht, von Mobilität in Verbindung mit ökologischer Verantwortung versteht sie offensichtlich weniger.
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