In den 1980er Jahren war Heidelberger Druck das profitabelste Maschinenbauunternehmen Deutschlands. RWE kassierte reichlich Dividende. Dann verkaufte der Essener Energiekonzern – und seither geht es bergab. Die Finanzkrise brachte Staatshilfe für den Marktführer, während die Konkurrenz leer ausging oder in die Insolvenz rutschte. Seither befindet sich das Unternehmen in einer Dauerrestrukturierung: alle paar Jahre neue „Zukunftsprogramme“, neuer Stellenabbau, neue Transformationsrhetorik – bei stetig schrumpfender Substanz. Ein Lehrstück darüber, wie staatliche Intervention Strukturwandel verzögert und Unternehmen in der Mittelmäßigkeit konserviert.


Die goldenen Jahre

Es gab eine Zeit, in der Heidelberger Druckmaschinen für das stand, was deutscher Maschinenbau sein konnte. In den 1980er und 1990er Jahren war das Unternehmen aus Wiesloch-Walldorf nicht nur Weltmarktführer bei Bogenoffsetdruckmaschinen, sondern auch eine der profitabelsten Industriebeteiligungen im deutschen Konzerngeflecht. Der Eigentümer, der Essener Energiekonzern RWE, hielt seit 1940/41 die Mehrheit – ein Relikt der alten Konglomeratslogik, als Energieversorger ihre Überschüsse in Industriebeteiligungen parkten.

Die Zahlen sprachen für sich: Der Umsatz stieg bis zur Jahrtausendwende auf über fünf Milliarden Euro. Die Expansion schien grenzenlos. 1988 übernahm Heidelberg die amerikanische Harris Graphics Corporation, in den 1990ern folgten aggressive Akquisitionen in vor- und nachgelagerten Bereichen der Druckproduktion. Das Unternehmen bewegte sich vom reinen Maschinenbauer zum „Systemanbieter“ – ein Wort, das damals noch Verheißung trug und nicht, wie heute, Warnsignal war.

RWE kassierte. Jahr für Jahr flossen Dividenden nach Essen. Die Beteiligung an Heidelberger Druck war kein strategisches Asset, sondern ein Finanzinvestment mit industrieller Verkleidung. Der Energiekonzern hatte kein genuines Interesse am Druckmaschinengeschäft, keine Synergien, keine langfristige Vision für das Unternehmen. Es war eine Ehe aus Zufall und Bequemlichkeit, eingegangen in den Wirren des Zweiten Weltkriegs, fortgeführt, solange die Dividenden stimmten.
Der Ausstieg, der alles sagte

Im Mai 2004 verkündete RWE, die Beteiligung an Heidelberger Druck vollständig aufzulösen. Der Zeitpunkt war kein Zufall. Gerade hatte das Unternehmen die Expansion der späten 1990er als gescheitert revidiert: Die Sparte Web Systems (Rollenoffsetmaschinen) wurde an Goss International verkauft, das Digitaldruck-Joint-Venture NexPress an Kodak zurückgegeben. Die Verkaufserlöse waren minimal – man nahm sie hin, um die defizitären Sparten überhaupt loszuwerden.

RWE erkannte, was die Öffentlichkeit noch nicht sehen wollte: Das Geschäftsmodell erodierte. Die Digitalisierung der Medien hatte begonnen, die strukturelle Nachfrage nach Druckmaschinen zu untergraben. Die Expansion in neue Geschäftsfelder war gescheitert. Der Markt zeigte erste Sättigungserscheinungen. RWE liquidierte die Beteiligung exakt in dem Moment, als die strukturellen Probleme nicht mehr zu übersehen waren, aber noch bevor sie sich in den Aktienkursen vollständig materialisierten.

Es war das klassische Timing eines Finanzinvestors: Gewinne privatisieren, Risiken sozialisieren.

Was folgte, traf andere.

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Die asymmetrische Rettung

Die Finanzkrise 2008/09 traf die Druckmaschinenbranche mit besonderer Härte. Der Markt für Bogenoffsetmaschinen – Heidelbergs Kerngeschäft – brach von fünf auf 2,5 Milliarden Euro ein. Das Unternehmen schrieb einen Jahresfehlbetrag von 249 Millionen Euro, der Umsatz sank um 18 Prozent auf knapp drei Milliarden Euro. An allen deutschen Standorten wurde kurzgearbeitet. Die Zahl der Mitarbeiter, die 2008 noch bei knapp 20.000 lag, sollte um 5.000 reduziert werden.

In dieser Situation geschah etwas Bemerkenswertes: Heidelberger Druck erhielt als einer der ersten Empfänger des „Wirtschaftsfonds Deutschland“ staatliche Bürgschaften und Kredite von über 700 Millionen Euro. Die Bundesregierung und das Land Baden-Württemberg sprangen ein, um den Weltmarktführer zu retten.

Pikant war, wer die Staatshilfe beantragte: Mark Wössner, der damalige Aufsichtsratsvorsitzende von Heidelberger Druck. Wössner hatte als langjähriger Vorstandsvorsitzender von Ber…