Wenn der Wettbewerbsdruck steigt, flüchten deutsche Unternehmen reflexhaft nach oben – in komplexe Produkte, Nischenmärkte, Premium-Segmente. Was wie strategische Klugheit aussieht, ist oft der Beginn einer Abwärtsspirale. Die jüngste Restrukturierung beim Kunststoffspezialisten Ensinger zeigt das Muster in Reinform – und warum es im Maschinenbau bereits gescheitert ist.
Das Muster
Ensinger, ein familiengeführter Kunststoffspezialist aus Nufringen, baut rund 100 Stellen an deutschen Standorten ab. Die offizielle Begründung folgt einem vertrauten Skript: Die deutschen Werke sollen sich künftig auf „komplexe, innovative Produkte“ konzentrieren, während „preissensible Standardprodukte“ an kostengünstigere europäische Standorte verlagert werden. Asiatische Konkurrenz, schwache Konjunktur, der übliche Katalog externer Zwänge.
Die Strategie klingt plausibel, fast schon vernünftig. Warum sich im Preiswettbewerb mit chinesischen Anbietern aufreiben, wenn man doch über überlegenes Know-how verfügt? Der Rückzug aus dem Volumengeschäft erscheint als rationale Konzentration auf Stärken.
Doch genau dieses Denkmuster hat im deutschen Maschinenbau bereits eine ganze Branche in die Defensive getrieben. Die Flucht in die Komplexität ist keine Strategie – sie ist ein Reflex. Und ein hoch riskanter.
Die Mechanik der Abwärtsspirale
Jürgen Kluge und seine McKinsey-Kollegen haben die Dynamik bereits in den 1990er Jahren am Beispiel der Elektroindustrie beschrieben. Ihr Befund war eindeutig: Der Trend zu höherer Komplexität – maximale Sortimentsbreite, Losgröße eins, hochflexible Fertigungssysteme – prägte die europäische Industrie der 80er Jahre. Er richtete mehr Schaden als Nutzen an.
Die Mechanik ist immer dieselbe: Ein Unternehmen gerät unter Preisdruck und reagiert mit Differenzierung. Standardprodukte werden aufgegeben oder verlagert, die verbleibende Produktion konzentriert sich auf Spezialitäten. Die Stückzahlen sinken, die Umrüstzeiten steigen, der Schulungsbedarf explodiert. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an Qualitätssicherung, Dokumentation und Service – denn komplexe Produkte verlangen komplexe Betreuung.
Die Deckungsbeiträge der einzelnen Produkte sehen auf dem Papier gut aus. Aber die Gemeinkosten fressen die Marge. Und mit jedem Schritt nach oben wir…

