Von Ralf Keuper
Ein heute weithin vergessener Finanzskandal sorgte in in den Jahren 1912/13 für Schlagzeilen im damaligen deutschen Kaiserreich. Im Zentrum der Berichterstattung und der Ermittlungen stand dabei der sog. “Fürstentrust”. Christian Bommarius hat dieses Ereignis in seinem Buch Der Fürstentrust. Kaiser, Adel, Spekulanten ans Licht geholt. Auf der Verlagsseite ist zu lesen:
Die Geschichte des größten Finanzskandals im Kaiserreich. Glücklose Hauptakteure waren die Chefs der Fürstenhäuser Hohenlohe und Fürstenberg, die ihre gewaltigen Vermögen mit teils irrwitzigen, teils kriminellen Geschäften zu vergrößern suchten. Die Katastrophe blieb aus – jedoch nur, weil der Kaiser der Deutschen Bank befahl, zur Rettung seiner Jagdfreunde zu schreiten. Der Skandal wurde von den Beteiligten entschlossen unter den Teppich gekehrt, wo er immer noch liegt: Nachforschungen in den fürstlichen Archiven zu diesem Thema sind bis heute tabu. Christian Bommarius hat sich trotzdem erfolgreich auf die Suche gemacht.
Zu den Hauptakteuren gehörte neben den Fürstenhäusern Hohenlohe und Fürstenberg auch die Deutsche Bank. Das Ziel war hochgesteckt, wie Andreas Wassermann in seiner Besprechung Die Zocker vom Fürstentrust schreibt:
Diskutierten Banker, Rentiers und Unternehmer in verrauchten Salons bei altem Cognac und dicken Zigarren über die Handelsvereinigung AG, sprachen sie ehrfürchtig vom “Fürstenkonzern” oder “Fürstentrust”. Dessen Chefs hatten Großes vor: Die AG sollte national die Großbanken ausstechen und global auf Augenhöhe mit Tycoons wie den Rockefellers und Vanderbilts mitzocken. Man wollte nicht nur reich und einflussreich sein, sondern superreich – und zum Machtfaktor im Wilhelms Möchtegern-Weltreich werden.
Am Ende der Ambitionen stand ein geschäftlicher Misserfolg fast schon epischen Ausmaßes, von dem nicht nur die Hauptakteure betroffen waren:
1912 stürzte das Kartenhaus des Fürstentrusts mit gewaltigem Getöse ein und riss nahezu den gesamten Immobilienmarkt in der Reichshauptstadt mit in den Abgrund. Reihenweise gingen Gesellschaften pleite, und platzten Kredite, blieben Baufirmen und Handwerker auf unbezahlten Rechnungen sitzen. Die Fürsten hatten eine veritable Finanzkrise ausgelöst.
Einer der größten Profiteure war die Deutsche Bank:
Gewaltig profitiert hat von der Finanzaffäre die Deutsche Bank. Das Geldhaus, zeitweise einer der größten Gläubiger, hatte im Auftrag des Kaisers den Fürstenkonzern filetiert, offenbar eine lukrative Angelegenheit. Danach stieg die Deutsche Bank zum größtem Bankhaus des Reiches auf.
Dieser Einschätzung mag sich Werner Plumpe in seiner Rezension in der FAZ vom 21.03.17 Die Deutsche Bank soll es richten, nicht anschließen:
… So weit, so gewöhnlich, möchte man sagen, aber Bommarius möchte aufgrund der Tatsache, dass der Kaiser half und die Deutsche Bank beisprang, aus dem Konkurs des Fürstentrusts einen Skandal mit erwartbaren Tätern machen. Doch reicht hier für bei genauem Hinsehen die Beweislage kaum; bestenfalls Gerüchte gibt es, Tagebuchnotizen, Kolportiertes, Zeitungsmeldungen, deren Glaubwürdigkeit keim überprüft werden kann. … So werden die üblichen Vorbehalte gegen Kaiser Wilhelm, die Deutsche Bank und den Hochadel vor allem genutzt, um aus einem in der wirtschaftlichen Welt vor 1914 keineswegs aus dem Rahmen fallenden Bankrott eine Affäre zu machen, die es bestens falls im Sinne des heutigen Boulevardjournalismus ist.
Hörenswert ist die Besprechung auf Deutschlandradio Kultur in Gespräche auf dem blauen Sofa – Tag 2.
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