Von Ralf Keuper
Derzeit wird – mal wieder – eifrig darüber diskutiert, was Tesla von den meisten anderen Automobilherstellern, insbesondere den deutschen, unterscheidet. Für den Automobilexperten Ferdinand Dudenhöfer ist der größte Vorteil von Tesla das Tempo[1]Autopapst über E-Autos: „Der größte Wettbewerbsvorteil von Tesla ist nicht die Batterie, sondern…“ .
Klassische Autobauer sind Tanker. Bei Tesla ist Elon Musk in vielen Details zu Hause. Da geht es Schlag auf Schlag. Tesla ist kein Tanker, sondern eine Art Schnellboot mit einer Organisation, die ausschließlich auf Elon Musk und damit hohes Innovationstempo zugeschnitten ist.
Ein wesentlicher Unterschied besteht in der Person von Elon Musk; ein Unternehmer und Self-Made-Milliardär, der bereit ist, hohe Risiken einzugehen und dabei sein eigenes Vermögen einbringt. Anders dagegen die deutschen Automobilhersteller, deren Anteilseigner auf die Maximierung ihrer Dividende bedacht sind und im Schumpeterschen Sinn eher Rentiers als echte Unternehmer sind. Das persönliche Risiko der Vorstandschefs und Vorstände von VW, Daimler, BMW & Co. ist sehr überschaubar.
Hinzu kommen noch weitere Merkmale. Anders als die etablierten Hersteller, deren Abläufe nach wie vor auf den Verbrennungsmotor abgestellt sind und die typischen Eigenschaften von Großkonzernen aufweisen, konnte Tesla von vorne, ohne Altlasten, starten. Beispielhaft dafür ist der Vergleich zwischen Tesla und Ford:
In jedem Ford gab es Dutzende von Computersystemen von unterschiedlichen Zulieferern, die alle miteinander kommunizieren und wie ein einheitliches System funktionieren mussten. Mit der Zeit war eine ungeheure Komplexität entstanden und eine Vereinfachung schien zu diesem Zeitpunkt fast unmöglich – zumal ein Unternehmen wie Ford kontinuierlich Hunderttausende Autos pro Jahr produzieren musste und es sich nicht leisten konnte, eine Umbauphase einzulegen. Tesla dagegen hatte ganz von vorn begonnen und konnte seine eigene Software zum Zentrum des Model S machen(in: Elon Musk. Tesla, PayPal, SpaceX).
Die Mehrzahl der Autohersteller folgte in den letzten Jahrzehnten dem Gebot des Outsourcing. Vertikalisierung galt als rückständig[2]Tesla: Vertikale Integration ist Wertintegration. Tesla zeigt nun, dass dies nicht so ist. Die Batterieproduktion und -entwicklung ist bei Tesla ein Kerngeschäft.
Ein weiterer Unterschied:
Musk hatte etwas erreicht, das die anderen Autohersteller versäumt hatten oder nicht schaffen konnten: Er hatte Tesla zum Ausdruck eines Lebensstils gemacht. Das Unternehmen verkaufte nicht einfach Autos. Es verkaufte ein Image, ein Gefühl, an der Zukunft teilzuhaben, und eine Beziehung. Apple hatte dasselbe Jahrzehnte zuvor mit dem Mac und dann wieder mit iPod und iPhone getan. Selbst Kunden, die keine religiöse Zuneigung zu Apple hegten, wurden in sein Universum gesaugt, wenn sie ihre erste Hardware gekauft und Software wie iTunes heruntergeladen hatten(ebd.)
Diese Sicht- und Herangehensweise ist den deutschen Herstellern fremd[3]„Es wird blutig“: Ex-Audi-Entwicklungschef attackiert die deutsche Autoindustrie.
Ein weiteres Merkmal ist die einheitliche Feldtheorie des Elon Musk:
SolarCity lässt sich als entscheidender Teil der einheitlichen Feldtheorie von Elon Musk verstehen. Jedes seiner Unternehmen hängt kurz- wie langfristig gesehen mit den anderen zusammen. Tesla produziert Batteriepacks, die SolarCity an Endkunden verkauft. SolarCity liefert die Solarmodule für die Tesla-Ladestationen, sodass Tesla den Fahrern kostenloses Aufladen anbieten kann. Neue Model-S – Besitzer entscheiden sich oft konsequent für den Musk’schen Lifestyle und rüsten ihr Haus mit Solarmodulen auf. Auch Tesla und SpaceX unterstützen sich gegenseitig. Sie tauschen Wissen über Materialien, Fertigungsverfahren und die Feinheiten des Betriebs von Fabriken aus, in denen die beiden Unternehmen so viel in Eigenregie entwickelt und produzieren (ebd).
Die Vision des „Integrierten Technologiekonzerns“, wie sie Edzard Reuter und Alfred Herrhausen bei Daimler realisieren wollten, war da dagegen eine Kopfgeburt von Technokraten. Daran hat sich nicht viel geändert. Bestenfalls „Modellplatonismus“.
References