Als ältestes Industrieunternehmen Münchens ist KraussMaffei für die Wirtschaftsgeschichte ein attraktiver Forschungsgegenstand. Das Unternehmen ist eng mit der Industrialisierung Bayerns verbunden. Lokomotiven aus dem Haus Maffei waren im 19. Jahrhundert Inbegriff hoher Qualität und herausragender Ingenieurskunst. Wegen ihrer Verdienste um die wirtschaftliche Entwicklung im damaligen Königreich Bayern und der guten Kontakte nach Berlin, insbesondere zu Bismarck, wurde die Familie Maffei in den erblichen Adelsstand erhoben. Nicht ganz so glamourös verliefen die Anfangsjahre der Firma Krauss. Dessen Gründer hatte sich, anders als Maffei mit seinen großen Dampflokomotiven, auf kleine Lokomotiven spezialisiert.

Obwohl Maffei im 19. Jahrhundert zu den bedeutendsten Lokomotivherstellern Mitteleuropas zählte, blieb es im Gegensatz zu Henschel, Borsig oder MAN, ein eher mittelständisch geprägtes Unternehmen. Auch nach der Fusion von Krauss und Maffei zu KraussMaffei blieb die Mitarbeiterzahl stets unter 10.000. Ein Konzern im eigentlichen Sinn war KraussMaffei zu keinem Zeitpunkt.

Aus Sicht der Autoren besteht der besondere Reiz von KraussMaffei in der Erhaltung eines festen Markenkerns, der selbst durch wechselnde Eigentümer, eine hohe Fluktuation in der Führungsebene und strategische Schwenks über einen Zeitraum von 180 Jahren nicht zerstört wurde.

In den 1920er Jahren befand sich Maffei kurz vor dem Zusammenbruch. Nachdem der Versuch, Maffei mit Henschel zu fusionieren gescheitert war, kam im Jahr 1931 unter Vermittlung der Deutschen Bank in ihrer Eigenschaft als Hauptgläubigerin der örtliche Mitbewerber Krauss & Comp. zum Zuge. In das neue Unternehmen Krauss-Maffei AG ging von Maffei nur der Name ein. Die Belegschaft, die Sachwerte und die Schulden blieben bei der Rechtsnachfolgerin von Maffei, der Industriewerk Hirschau AG, die bis zum Jahre 1944 bestand.

Das noch junge Unternehmen sah sich gezwungen, auf das veränderte Mobilitätsverhalten der Menschen zu reagieren. Bevorzugtes Fortbewegungsmittel für eine wachsende Anzahl von Menschen und Gütern waren das Automobil und Lastkraftwagen. Während des 2.Weltkrieges stellte KraussMaffei für die Wehrmacht Zugmaschinen her. Damit konnte sich das Unternehmen bis zum Ende des Krieges über Wasser halten. Zwischen 1939 und 1942 produzierte Krauss-Maffei außerdem Panzer, war jedoch für den Panzerbau des 3. Reiches insgesamt nur von geringer Bedeutung. In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg sorgte die Nachfrage der Deutschen Bahn bei Krauss-Maffei für volle Auftragsbücher. Daneben stieg das Unternehmen in den Bau von Omnibussen ein, was sich jedoch als Fehlschlag herausstellte. Das Geschäft wurde nach einigen verlustreichen Jahren aufgegeben. Der Wechsel vom Lokomotivbau zum Fahrzeugbau gelang Krauss-Maffei ebenso wenig, wie seinen Mitbewerbern. Einzig Henschel hatte für einige Jahre als Fahrzeugbauer Erfolg, bis der LKW-Bau an Daimler-Benz übergeben wurde.

Ohne den Bereich Wehrtechnik hätte KraussMaffei aller Voraussicht nach das Schicksal von Henschel & Co. geteilt. Zunächst war das Management von KraussMaffei in seinen Plaungen davon ausgegangen, dass es sich bei den Wehraufträgen nur um ein Intermezzo von wenigen Jahren handeln würde. Als sich der Leopard 1 und der Leopard 2 als Verkaufsschlager entpuppten, machte man sich mit dem Gedanken vertraut, auf dem Weg zu einer festen Größe im Rüstungsgeschäft zu sein. Dennoch wurden andere Geschäftsbereiche, wie die Herstellung von Spritzgießmaschinen, beibehalten. Der Flick-Konzern, seit 1955 Eigentümer von KraussMaffei, konnte sich nur selten über Gewinnausschüttungen seiner Tochtergesellschaft freuen. Dort war man schon froh, wenn KraussMaffei mal ein Jahr ohne finanzielle Unterstützung des Mutterkonzerns auskam. Als sich der Flick-Konzern in den 1980er Jahren u.a. wegen der Parteispendenaffäre dem Abgrund näherte, trennte sich die Konzernleitung von unnötigem Ballast – darunter KraussMaffei. Käufer war ein Konsortium aus MBB, Diehl und mehreren Banken. Der neue Chef Burkhard Wollschläger baute die zivilen Geschäftsbereiche aus. So stieg der Anteil des Kunststoffmaschinenbaus auf 50 Prozent vom Umsatz.

Seit 1989 gehörte KraussMaffei zum Mannesmann-Konzern. Dieser verfügte mit der Demag bereits über einen der führenden Hersteller von Kunststoffmaschinen. Die beiden Unternehmen wurden zusammen mit der Berstorff GmbH und der Schweizer Netstal in der Mannesmann Plastics Machinery (MPM) AG zusammengeführt. In Folge der Zerschlagung des Mannesmann-Konzerns ging die MPM an den Finanzinvestor KKR. Dieser reichte KraussMaffei an den Mitbewerber Madison Capital weiter. Madison löste  die KraussMaffei Kunststofftechnik GmbH und die Berstorff GmbH aus dem MPM heraus. Zunächst in KraussMaffei GmbH umfirmiert wurde das Unternehmen kurz darauf als KraussMaffei AG für den Gang an die Börse vorbereitet. Der Börsengang fiel jedoch aus. Stattdessen ging KraussMaffei an den Finanzinvestor Onex. Als dieser erkannte, dass das Kosteneinsparungspotenzial bei KraussMaffei ausgereizt war und Innovationen dringend benötigt wurden, entschloss sich Onex KraussMaffei an den chinesischen Staatskonzern ChemChina zu veräußern. Bis heute befindet sich KraussMaffei im Besitz von ChemChina.

Anders als KKR, Madison und Onex ist ChemChina ein strategischer Investor, dem daran gelegen ist, Unternehmen weiterzuentwickeln. ChemChina war vor allem an der technologischen Kompetenz von KraussMaffei im Kunststoffmaschinenbau interessiert. Mittlerweile ist KraussMaffei Weltmarktführer im Kunststoffmaschinenbau.

Die Autoren werten es als bemerkenswerten Erfolg, dass KraussMaffei bis heute als Unternehmen besteht und die Bindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Marke KraussMaffei stark ausgeprägt ist. Und das, obwohl KraussMaffei seine Eigenständigkeit schon lange verloren hat.

Fazit

Ohne die finanzielle Unterstützung der verschiedenen Eigentümer wäre KraussMaffei nicht überlebensfähig gewesen und vom Markt mehr oder weniger sang- und klanglos verschwunden. So konnten strategische Fehlentscheidungen aufgefangen werden, die jedem anderen Unternehmen ohne finanziellen Rückhalt die Existenz gekostet hätten. Man wurschtelte sich so durch und nahm jede Gelegenheit, die Produktion auszulasten, wahr. Eine langfristige, kohärente Strategie konnte damit nicht entstehen. Dennoch gelang es irgendwie, die technologische Kompetenz im Kunststoffmaschinenbau – trotz diverser Reorganisationen  – zumindest zu erhalten.

Die drei Marken KraussMaffei, KraussMaffei Berstorff und Netstal wurden in ihrem jeweiligen Profil deutlich geschärft: KraussMaffei stand für international wegweisende und technologieübergreifende System- und Verfahrenslösungen und damit für >>Engineering Passion<<. KraussMaffei Berstorff war demgegenüber bekannt für moderne und qualitative sowie zuverlässige Lösungen in der Extrusionstechnik und damit für >>Engineering Value<<, während Netstal schließlich unter dem Label >>Engineering Excellence<< international hochwertige Hochleistungs- und Hochpräzisionsspritzgießtechnik lieferte. Aus der einst heterogenen Markenarchitektur wurde ein wertebezogener, komplementärer Markenprozess definiert. Dabei fungierte die KraussMaffei Grupe gleichsam als Dachmarke, die die markenübergreifende Komptenz und das Allleinstellungsmerkmal – die Fähigkeit der Integration aller Anwendungsbereiche Spritzgieß-, Extrusions- und Reaktionstechnik – und die Werte aller drei Marken widerspiegelte.

Momentan befindet sich KraussMaffei, wie schon so oft in seiner Geschichte, im Umbruch. Nach dem verlustreichen Jahr 2022 baut das Unternehmen jede 6. Stelle ab. Von den rund 4.700 Arbeitsplätzen sollen 790 entfallen, davon rund 490 in Deutschland[1]Eversheds und Kliemt begleiten Stellenabbau bei Krauss-Maffei)). Zu den Verlusten kommen noch die Kosten für den Bau des neuen Firmensitzes in Parsdorf hinzu. Im Oktober konnte der Umzug … Continue reading.

 

References

References
1 Eversheds und Kliemt begleiten Stellenabbau bei Krauss-Maffei)). Zu den Verlusten kommen noch die Kosten für den Bau des neuen Firmensitzes in Parsdorf hinzu. Im Oktober konnte der Umzug abgeschlossen werden. “Nach fast 90 Jahren verlegt das Münchner Traditionsunternehmen seinen Hauptsitz von Allach nach Parsdorf. Auf einer Fläche von 156.000 Quadratmetern sind am neuen Standort die Unternehmenszentrale, die Spritzgießtechnik, die Reaktionstechnik, Additive Manufacturing (3D-Druck) und die mechanische Fertigung untergebracht. Auch die Automation und das Ersatzteillager, die bisher in Schwaig und Plauen angesiedelt waren, sollen in den kommenden Monaten vollständig in das neue Werk integriert werden. Wie die drei anderen neuen Standorte wird auch Parsdorf als Smart Factory betrieben, die auf nachhaltige moderne Gebäudetechnik setzt”((KraussMaffei: Umzug der Zentrale nach Parsdorf abgeschlossen