Der Niedergang von Manchester United ist mehr als eine sportliche Krise – er ist ein Lehrstück über die selbstzerstörerische Dynamik, die entsteht, wenn Finanzlogik die Eigengesetzlichkeit einer Institution überwältigt. Was als Wertschöpfung erscheint, entpuppt sich als Substanzverzehr. Und was als Investition gilt, folgt der Logik eines Schneeballsystems: eine Wette auf eine Zukunft, die so nicht mehr eintreten wird.
Die Übernahme als Ursünde
Als die amerikanische Glazer-Familie 2005 Manchester United übernahm, geschah dies durch einen Leveraged Buyout – eine Konstruktion, bei der der Käufer das Zielobjekt mit dessen eigenem Geld erwirbt. Die Schulden, die für den Kauf aufgenommen wurden, landeten in der Bilanz des Vereins. Ein schuldenfreier Klub wurde über Nacht zum Schuldner. Seither flossen über 1,5 Milliarden Pfund für Zinsen und Dividenden an die Eigentümer ab – Geld, das weder in Spieler noch in Infrastruktur investiert wurde.
Diese Konstruktion ist kein Einzelfall, sondern folgt der Logik des Finanzkapitalismus: Wert wird nicht geschaffen, sondern extrahiert. Das operative Geschäft dient als Vehikel für Kapitalrenditen, nicht als Selbstzweck. Dass es sich um einen Fußballverein handelt, ist aus dieser Perspektive akzidentiell – es könnte ebenso gut eine Hotelkette oder ein Industrieunternehmen sein.
Die Illusion der Rekordumsätze
Oberflächlich betrachtet erscheint Manchester United als wirtschaftlicher Erfolg. Im Geschäftsjahr 2024/25 erzielte der Klub einen Rekordumsatz von über 760 Millionen Euro. Die globale Marke funktioniert, die Sponsorenverträge fließen, die Merchandising-Maschinerie läuft. Doch diese Zahlen verdecken mehr, als sie offenbaren.
Der Verein schreibt seit sechs Jahren kontinuierlich Verluste. Die Gesamtverschuldung übersteigt eine Milliarde Pfund. 200 Stellen wurden gestrichen, Mitarbeitervorteile gekürzt. Und sportlich? Die Saison 2024/25 endete auf dem 15. Tabellenplatz – ein historischer Tiefpunkt für einen Verein, der einmal die englische Liga dominierte.
Hier offenbart sich die fundamentale Schwäche rein ökonomischer Kennzahlen: Sie messen, was gestern war, nicht was morgen sein wird. Sie erfassen Geldflüsse, aber nicht Substanz. Ein Verein kann Rekordumsätze erzielen und gleichzeitig verfallen – solange das Zehrkapital vergangener Erfolge noch trägt.
Markendehnung als Substanzverzehr
Al Ries hat in seinen Arbeiten zur Markenführung das Phänomen der Markendehnung analysiert – die Versuchung, eine starke Marke auf immer mehr Produktkategorien und Partnerschaften auszuweiten. Kurzfristig generiert jede neue Lizenz Einnahmen. Langfristig verwässert sie, wofür die Marke steht.
Manchester United ist ein Extrembeispiel dieser Dynamik. Der Verein unterhält Sponsoringverträge mit Traktorherstellern, Nudelmarken, Matratzenanbietern, Kryptoplattformen – eine grotesk lange Liste von Partnerschaften, die einzeln betrachtet Geld bringen, in der Summe aber den Markenkern erodieren.
Ries‘ Kernthese lautet: Eine Marke ist ein Wort im Kopf des Konsumenten. Manchester United stand einmal für englische Fußballexzellenz, für den Mythos von Busby, Best und Charlton, für Fergusons unbeugsamen Siegeswillen. Wofür steht die Marke heute? Für globale Verfügbarkeit, für Kommerz, für – ironischerweise – teure Mittelmäßigkeit.
Das …

