Laut Peter Kruse erleben wir in Wirtschaft und Gesellschaft derzeit eine Erhöhung der Vernetzungsdichte, die zu Nichtlinearitäten, Unvorhersagbarkeiten und damit zu einer Explosion der Komplexität führt. Endergebnis ist die Komplexitätsfalle, d.h. die Lage ist, insbesondere für Führungskräfte, irgendwann so unübersichtlich, die Konsequenzen der eigenen Entscheidungen so unsicher, dass man das Gefühl hat, ohnmächtig zu sein. Wozu aber braucht man dann noch Führung?
Der Komplexitätsfalle lässt sich laut Kruse nur durch noch mehr Vernetzung begegnen. Also die Probleme der Vernetzung durch Vernetzung beheben.
Das Dilemma für Führungskräfte in einer vernetzten Welt besteht darin, wie sie Entscheidungen begründen sollen, ohne die Entscheidungsgrundlage zu kennen. Da bleibt eigentlich nur die Kooperation, auch über die Unternehmensgrenzen hinaus. Die Identitätskerne (Kruse) lösen sich damit auf. Mitarbeiter definieren sich mehr über den Sinn, als über strukturelle Kopplung. Kruse macht, ähnlich wie Jahre zuvor von Alvin Toffler in Machtbeben beschrieben, eine Machtverschiebung vom Unternehmen zum Kunden, vom Management zum Mitarbeiter aus. Um die Mitarbeiter an sich und das Unternehmen binden zu können, muss sich die Führungskraft daher fragen, welchen realen Mehrwert sie bei den Entscheidungsvorgängen zu bieten hat.
Anders als bisher noch häufig üblich, ist es in Zukunft nötig, vor dem Handeln zunächst ein tieferes Verständnis der Lage/Situation zu gewinnen, was an den Situativen Ansatz von Wolfgang H. Staehle erinnert.
Bei der jungen Generation, auch Generation Y genannt, macht Kruse nach einer Vielzahl von Interview, denen noch weitere folgen sollen, einen deutlichen Unterschied bei den Werthaltungen aus. Die Generation Y teilt sich demnach in zwei Lager (50:50). Die eine Seite bevorzugt nach wie vor die klassischen Werte wie Hierarchie, Sicherheit und Karriere, währenddessen die andere Autonomie und Risiko sucht. Interessanterweise führte die Befragung von Führungskräften zu ähnlichen Ergebnissen. Auch hier kommen, wenn auch nicht in dieser Ausprägung, zwei unterschiedliche Werthaltungen zum Vorschein. Hier Hierarchie, dort Autonomie.
Künftig muss Führung sich jedenfalls deutlich mehr als bisher legitimieren und die Frage nach dem realen Mehrwert beantworten können. Einen Vorboten dieser Stimmungswandels sieht Kruse in der 12:1 Diskussion in der Schweiz, wonach das Top-Management nicht mehr als das 12fache des normalen Arbeiters/Angestellten verdienen sollte.
Damit ist Kruse nicht weit von Jay Deragon entfernt, der ebenfalls eine Verschiebung von den sog. Tangibles (Maschinen, Gebäude, Grundstücke, Eigenkapital etc.) zu den Intangibles (Relationship Capital, Structural Capital, Strategic Capital, Human Capital) ausmacht. Auch für Deragon ist in Zukunft Kooperation daher das einzige Mittel, um Werte zu schaffen.
Ebenfalls nah verwandt mit Kruses Ansatz ist die Connected Company von Jay Gray.
Ob der Ansatz, die wachsende Komplexität als Folge der Vernetzung mit weiterer, anderer Vernetzung zu handhaben, der Königsweg ist, daran hat nicht nur Zygmunt Baumann Zweifel.
Trotzdem regen Kruses Gedanken zum Nachdenken an.
An dieser Stelle Dank an Peter Zettel, der das Video auf Google+ gepostet hat. Sonst wäre es mir entgangen.