Von Ralf Keuper

Der Aufstieg des deutschen Kaiserreichs zu einer der größten Industrienationen der Welt wird meistens dem besonderen politischen Geschick Otto von Bismarcks und der von ihm betriebenen Reichsgründung im Jahr 1871 zugeschrieben. Als weiteren Personen wird Kaiser Wilhelm I., der Bismarck weitgehend freie Hand ließ, und Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke ein gewisser Einfluss zugestanden. Unternehmer und Bankiers waren in der öffentlichen Wahrnehmung dagegen nur Randakteure. Weit über ihnen rangierte in der Gesellschaft der Adel und das Militär. Selbst der reichste Mann des Deutschen Kaiserreichs, der Bankier Gerson von Bleichröder, musste – auch nach seiner Erhebung in den Adelsstand – um seine gesellschaftliche Anerkennung kämpfen. Wirklich erreicht hat er sie nie – was vor allem an seiner jüdischen Herkunft lag. Wie Fritz Stern in seinem monumentalen Werk Gold und Eisen. Bismarck und sein Bankier Bleichröder eindrücklich schildert, war der Antisemitismus im Königreich Preußen und später im Deutschen Kaiserreich in den „höheren Kreisen“ weit verbreitet. In den 1870er Jahren nahm er spürbar zu.

Der Aufstieg Bismarcks ist eng mit dem des Bankiers Gerson von Bleichröder verbunden. Ein Punkt, der von der Geschichtsschreibung kaum beachtet wurde. Selbst Bismarck hat in seinen Erinnerungen seinen Bankier Bleichröder selten, eher beiläufig erwähnt.

Als der damalige preußische König, Wilhelm I., wegen der Armeereform, die deutliche höhere Militärausgaben vorsah, mit dem preußischen Parlament im Streit lag und mit seiner Abdankung drohte, sah Otto von Bismarck seine Stunde gekommen. Wilhelm I. ernannte Bismarck zum Ministerpräsidenten. Seine Aufgabe war es nun, die Armeereform durch das Parlament zu bringen. Hierfür musste jedoch die Frage geklärt wären, wie die Militärreform zu finanzieren war. Bismarck versuchte, das Parlament in Finanzierungsfragen zu umgehen. Die meiste Zeit regierte Bismarck daher ohne genehmigtes Budget. Das Geld musste auf anderen We…