BMW setzt auf billige Halbleiter aus China, um die Margen im Verbrennergeschäft zu retten. Was kurzfristig rational erscheint, ist langfristig eine strategische Kapitulation – ein Abschied aus dem Automobilgeschäft auf Raten.
Die jüngsten Aussagen von BMWs Einkaufschef Joachim Martin zur Halbleiterstrategie des Konzerns sind bemerkenswert offen. Bemerkenswert nicht wegen ihrer strategischen Brillanz, sondern wegen der Unverblümtheit, mit der hier eine Kapitulation als Pragmatismus verkauft wird.
Der Kern: BMW will trotz der Nexperia-Affäre, die die Verwundbarkeit globaler Chiplieferketten brutal offenlegte, weiterhin verstärkt auf chinesische Halbleiter setzen. Kostengründe. Etwa hundert chinesische Standorte liefern aggressive Preise, die europäische Zulieferer nicht mehr bieten können. Die Margenlogik des Autogeschäfts, so die Argumentation, lasse keine andere Wahl.
Die Prophezeiung des Chefvolkswirts
Wer verstehen will, warum BMW heute in dieser Lage steckt, sollte ein Buch lesen, das bereits 2007 erschien – lange bevor Tesla die Branche aufschreckte, bevor der Dieselskandal die Reputation zerstörte, bevor chinesische Hersteller zu ernsthaften Konkurrenten wurden. Helmut Becker, ehemaliger Chefvolkswirt von BMW, ging in „Ausgebremst. Wie die Automobilindustrie Deutschland in die Krise fährt“ mit der deutschen Paradebranche hart ins Gericht. Seine Diagnose war schmerzhaft klar: Die deutsche Autoindustrie habe am Standort Deutschland ihren Zenit überschritten. Sie bleibe zwar Motor der deutschen Wirtschaft, aber einer, der bereits deutlich an Drehzahl verloren habe.
Becker beschrieb schon damals, was heute eskaliert: deutlich sinkende Ertragsmargen im Kerngeschäft bei allen OEMs, auch bei den sogenannten Nobelmarken. Spektakuläre Kostensenkungsprogramme mit massivem Belegschaftsabbau. Hersteller im Volumensegment, die operative Verluste schreiben und langsam in die Nähe eines Marktaustritts rücken.
Besonders hellsichtig war Beckers Kritik am Over-Engineering: der deutsche Hang, alles, was sich irgendwie entwickeln und einbauen lässt, auch umzusetzen – unabhängig davon, ob es sinnvoll ist oder von Kunden außerhalb Deutschlands überhaupt gewünscht wird. Die Branche verstehe viel von Kurbelwellen, Drehmomenten und BlueTec-Dieseltechnik, aber von Mobilität in Verbindung mit ökologischer Verantwortung offensichtlich weniger.
Achtzehn Jahre später liest sich das wie eine Gebrauchsanweisung für den Niedergang. Achtzehn Jahre, in denen die Branche Zeit gehabt hätte, den Kurs zu korrigieren. Sie tat es nicht.
Krisenmodus als Normalzustand
Martin beschreibt ein permanentes Krisenmanagement mit steigender Zahl finanziell angeschlagener Zulieferer in Europa. Aufträge werden verlagert – nicht aus strategischer Überlegung, sondern aus Zwang. Die deutschen Zulieferer, ohnehin über Jahre ausgepresst bis zur Belastungsgrenze, verschwinden einer nach dem anderen. Sie werden, um es deutlich zu sagen, vor den Zug geworfen. Und sie kommen nicht wieder. Dafür fehlen Kapital, Technologie und schlicht die Zeit.
Was BMW als nüchterne Anpassung an Marktgegebenheiten präsentiert, ist in Wahrheit ein Akt der Verzweiflung. Der Konzern versucht, die Verbrenner-Kuh noch so lange wie möglich zu melken. Mit Elektrofahrzeugen lässt sich die alte Marge nicht mehr erzielen – das gibt selbst der Finanzvorstand offen zu. Also müssen die Stückkosten runter, und chinesische Chips sind der schnellste Hebel.
KI als Beruhigungspille
Besonders aufschlussreich ist die Rolle, die Künstliche Intel…

