Deutschland ist stolz auf seine Ingenieure, seine Maschinen und seine Autos. Jahrzehntelang war das ein tragfähiges Fundament. Doch im Zeitalter der Datenökonomie wirkt dieses Fundament wie eine kunstvoll verzierte Dampflok im ICE-Bahnhof: respektabel, aber nicht mehr anschlussfähig.

Die Risse sind längst da. Brücken bröckeln, Schienen rosten, Autobahnen stauen. Im digitalen Untergrund sieht es nicht besser aus: Funklöcher wie Schweizer Käse, Glasfaser im Schneckentempo, 5G nur dort, wo der Zufall gnädig ist. Die Republik, einst stolz auf ihren Ingenieursgeist, ist im digitalen Zeitalter zum Reparaturbetrieb geworden.

Besonders bitter: Die deutschen Unternehmen sind untereinander kaum vernetzt. Daten werden gehortet wie Familiensilber, nicht geteilt. Kooperation? Lieber nicht – man könnte ja dem Wettbewerber helfen. Hinzu kommen regulatorische Fesseln und technische Barrieren, die jede noch so gute Idee in den Formularschrank schicken. So entsteht kein Innovationsstrom, sondern ein Datenstau.

Die Plattformökonomie? Fehlanzeige. Während in den USA und China digitale Riesen Datenströme auswerten und in neue Geschäftsmodelle gießen, feilt Deutschland an Pilotprojekten und „Leuchttürmen“, die oft so hell leuchten wie ein Teelicht im Sturm. Die Folge: keine zentralen Datenknoten, keine kritische Masse, kein globales Gewicht.

Ein Blick nach China wirkt wie ein Blick in eine andere Zeitrechnung. Dort werden Künstliche Intelligenz, Batterietechnologien und Vernetzung mit einem Tempo vorangetrieben, das westliche Ministerien schon beim Aktenstudium aus der Puste bringt. Die Datengrundlage ist jung, breit, dynamisch – gespeist aus wachsenden Branchen, die den Takt für kommende Märkte setzen.

Deutschland hingegen speist seine Datenpools aus Industrien, die im Spätherbst ihres Lebenszyklus stehen: Automobilbau, Maschinenbau, klassische Fertigung. Das sind wertvolle Daten – für Historiker der Industriekultur. Für die Entwicklung neuer KI-gestützter Produkte, datengetriebener Dienstleistungen oder Plattformmodelle taugen sie nur bedingt.

So entsteht eine stille Innovationslücke. Sie ist nicht laut, sie macht keine Schlagzeilen. Aber sie nagt – an der Wettbewerbsfähigkeit, an der Fähigkeit, Zukunftsmärkte zu gestalten, an der ökonomischen Souveränität. Wer diese Lücke schließen will, braucht mehr als Sonntagsreden: eine nationale Daten- und Technologieoffensive, die Infrastruktur saniert, Datenaustausch erleichtert und Plattformen aufbaut, die diesen Namen verdienen.

Denn das digitale Zeitalter kennt keine Gnade. Es belohnt jene, die Daten nicht nur sammeln, sondern in Wertschöpfung verwandeln. Wer das nicht kann, bleibt zurück – mit perfektionierten Prozessen für Geschäftsmodelle von gestern. Deutschland muss entscheiden: Wollen wir Lokführer der Zukunft sein – oder Passagiere im Waggon der Nostalgie?