Digitalisierung, ökologische Herausforderungen, gestörte Lieferketten, Rezession – die Arbeitswelt befindet sich in einem weitreichenden Umbruch, der mit sozialen Verwerfungen und Konflikten einhergeht. Gewerkschaften und ihre aktiven Mitglieder in den Betrieben sind dabei in besonderer Weise gefordert. Sie entscheiden mit, wie demokratisch, solidarisch und gerecht diese Konflikte ausgetragen und gelöst werden. Auf der Basis einer breiten und intensiven Forschung beleuchtet die aktuelle Studie die gesellschaftlichen Vorstellungen, die Motivationen und Zukunftserwartungen derer, die sich in den Betrieben betriebspolitisch und gewerkschaftlich engagieren.

Die Studie zu Gesellschaftsbildern der ehrenamtlich aktiven Basis der IG Metall wurde 2019 vom Vorstand der IG Metall gemeinsam mit dem SOFI auf den Weg gebracht. Sie ist Ausdruck der Selbstvergewisserung der IG Metall und ein starkes Zeichen, sich kritisch mit der eigenen Organisation und ihren aktiven Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern auseinanderzusetzen. „Mit dem Konzept der Gesellschaftsbilder haben wir an bewährte Traditionen der Göttinger industriesoziologischen Forschung angeknüpft, aber auch neue Akzente gesetzt. So wurde deutlich, dass nicht allein die Arbeitserfahrung gesellschaftliche Vorstellungen und gewerkschaftliches Handeln prägt. Unser Blick richtete sich daher nicht nur auf die betriebliche Situation, sondern gleichermaßen auf die lebensgeschichtlichen Erfahrungen und die Lebensführung“, erläutern Dr. Martin Kuhlmann und Prof. Dr. Berthold Vogel als Direktoren des SOFI.

Im Fokus der Studie standen Betriebsratsmitglieder und Vertrauensleute, aber ebenso Mitglieder von Schwerbehinderten- sowie Jugend- und Auszubildendenvertretungen, wie Dr. Milena Prekodravac ergänzt: „Wir haben sehr viele und intensive Gespräche geführt: in Bildungszentren und Gewerkschaftshäusern der IG Metall, im betrieblichen und häuslichen Umfeld der Interviewten. Außerdem haben wir die Gespräche durch eine repräsentative telefonische Befragung von rund eintausend Ehrenamtlichen der IG Metall ergänzt, um die Ergebnisse besser einordnen zu können“.

Die Studie vermittelt ein reichhaltiges Bild darüber, mit welchen Motivationen, Werten und gesellschaftlichen Diagnosen die Ehrenamtlichen sich betriebspolitisch, gewerkschaftlich und oftmals auch darüber hinaus gesellschaftlich engagieren. Den wichtigsten Befund hält Dr. Stefan Rüb als Mitautor der Studie fest: „Die ehrenamtlich Engagierten stehen ein für soziale Gerechtigkeit, betonen die Bedeutung von Solidarität in der Gesellschaft und verstehen die IG Metall als starke und solidarische Organisation – diese drei Eckpfeiler verbindet die Gruppe bei aller Differenz. In diesen ungewissen Zeiten stehen die Ehrenamtlichen vor vielfältigen betrieblichen, gesellschaftlichen und persönlichen Herausforderungen und unter erheblichem Druck. Deutlich wird aber auch, dass es eine Basis für gewerkschaftliche Handlungsfähigkeit und Politik gibt, die auf gelebten gewerkschaftlichen Werten, einem aktiven Gesellschaftsverständnis und hierauf gründendem Engagement und Handlungsbereitschaft beruht.“

Veröffentlichung: Kuhlmann, Martin; Prekodravac, Milena; Rüb, Stefan; Vogel, Berthold (2024): Gesellschaftsbilder. Die Zukunft gewerkschaftlichen Engagements. Unter Mitarbeit von Marliese Weißmann. Frankfurt/New York: Campus, 267 Seiten.

Quelle: Die Zukunft gewerkschaftlichen Engagements: Neue Studie des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen (SOFI)