Bei der Beurteilung von Studien ist es stets angebracht, die Frage zu stellen: Cui bono – wem nützt es? Das gilt vor allem dann, wenn diese Studien von Unternehmen der Privatwirtschaft veröffentlicht werden, und mehr noch, wenn die Autoren aus dem Hause McKinsey kommen[1]Vgl. dazu: Schwarzbuch McKinsey[2]Vgl. dazu: McKinsey – Hedgefonds: Durchwachsene Erfolgsbilanz und potenzielle Interessenkonflikte.

Aktuell kursiert eine Studie von McKinsey, wonach die deutschen Banken in Sachen Profitabilität ihren ausländischen Mitbewerbern hinterherhinken. Die Aussage wird von den Medien, wie der FAZ[3]Mit Banken lässt sich in Deutschland nur wenig Geld verdienen, unkritisch übernommen. Um künftig erfolgreich zu sein, müssten die deutschen Banken nach Ansicht des für den Bankensektor zuständigen McKinsey-Beraters mehr in die Digitalisierung und in Innovationen investieren.

Was ist daran jetzt neu?[4]Vgl. dazu: Deutschlands Banken und McKinsey zurück im Spiel?[5]Abgehängt mit McKinsey Die Feststellung ist für ein Geschäft, das von der Digitalisierung seit Jahren in besonderer Weise betroffen ist, relativ sinnfrei. Oder anders: Die Digitalisierung ist seit Jahrzehnten das Kerngeschäft der Banken. Insofern:  08/15 – Ratschläge.

Was den Vergleich der Banken Deutschlands und der EU mit den Banken der USA betrifft[6]vgl. dazu: THE EU BANKING REGULATORY FRAMEWORK AND ITS IMPACT ON BANKS AND THE ECONOMY , Improving the global competitiveness of the EU banking sector, Analysing differences in bank profitability: … Continue reading, hat die Europäische Zentralbank ihre Position erst kürzlich in Understanding the profitability gap between euro area and US global systemically important banks beschrieben. Dort ist zu lesen: “In Bezug auf die Struktur des Finanzsystems sind die US-Banken in einem stärker marktorientierten Finanzsystem, in dem die Geschäftsstrategien der Banken durch Finanzintermediation außerhalb des Bankensektors und durch kapitalmarktgestützte Finanzierungen geprägt sind. .. Betrachtet man die Bankensysteme als Ganzes, so stellt man fest, dass der Bankensektor in den Vereinigten Staaten stärker konzentriert ist, was es den größten Banken ermöglichen könnte, mehr Preissetzungsmacht ausüben können. Größere US-Banken scheinen auch geografisch stärker diversifiziert zu sein als die größten EA-Banken. Diese Unterschiede deuten darauf hin, dass US-Institute nicht unbedingt ein guter Maßstab für EA-Banken sind, da ihr operatives Umfeld andere Geschäftsmodelle prägt. Ungeachtet dieses Vorbehalts werden Vergleiche von EA-Banken mit US-Instituten nicht nur in der akademischen Debatte, sondern auch unter politischen Entscheidungsträgern und in den Medien häufig angestellt”.

Die Rentabilität sei nur ein Element der Gesamtleistung, die auch andere Aspekte wie Risikobereitschaft, Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells und aufsichtsrechtliche Vorschriften umfasse.

Ein Grund, weshalb z.B. französische Großbanken höhere Gewinne als ihre deutschen Mitbewerber erzielen können, ist auch darin zu suchen, dass Frankreichs Großbanken ihren Heimatmarkt dominieren und dort hohe Preise durchsetzen können. “Deutsche Bank und Commerzbank bekommen dagegen gegen Sparkassen und VR-Banken oft kein Bein auf die Erde. Nicht einmal 15 Prozent Marktanteil haben sie hierzulande erreicht. Damit fehlt deutschen Banken die ertragreiche Basis, von der aus sie ins Ausland expandieren könnten”[7]Das suchen französische Großbanken in Deutschland[8]Im Jahr 2008 urteile das ZEW: “Nach Ansicht der Experten ist der Erfolg der ausländischen Banken vor allem auf ihre Preisstrategie zurückzuführen. Aufgrund attraktiver Konditionen konnten sie … Continue reading

Wer Vergleiche, ganz gleich welcher Art, zieht, kann für sich keinen objektiv-wissenschaftlichen Anspruch reklamieren. Im Sonderforschungsbereich “Praktiken des Vergleichens. Die Welt ordnen und verändern” an der Uni Bielefeld heißt es:

Der Sonderforschungsbereich 1288 untersucht die Geschichte der Vergleichspraktiken von der Antike bis zur Gegenwart und überführt sowohl die alltäglichen wie die institutionalisierten Formen als auch die wissenschaftlichen Methoden des Vergleichens in eine neue Forschungsagenda. Vergleichspraktiken sind mehr als eine vermeintlich objektive wissenschaftliche Methode. Wir stellen das Vergleichen als vielfältige Praxis ins Zentrum des Interesses, d.h. seine gesellschaftlichen und kulturellen Ursachen, die Verfahren sowie die Wirkungen des Vergleichens.

Noch mehr Digitalisierung und Innovationen im Banking können an der unterschiedlichen Ausgangslage der zu vergleichenden Banken nur wenig ändern, zumal die ausländischen Mitbewerber u.a. von Beratungsgesellschaften ebenfalls dazu angehalten werden, die Digitalisierung voranzutreiben.

Mit Vergleichen und entsprechenden Studien soll eine bestimmte Botschaft transportiert und die Sicht auf die Dinge verändert werden – das ist nunmal ihr Sinn und Zweck. Allerdings sollte man sich dabei immer bewusst sein, dass noch weitere Vergleichsmaßstäbe mit gleichwertiger Aussagekraft existieren.

Übrigens: Einer der ersten Verkaufsschlager McKinseys im Banking war die Matrixorganisation. Diese war bis dahin vor allem bei großen Industriekonzernen wie General Electric eingeführt worden.

Schnell kam man bei McKinsey auf die Idee, dieses Konzept auf die Bankenbranche zu übertragen. Erster Kunde war die heutige Citibank. Am Heiligabend 1968 begann die Citibank mit der Umsetzung der Empfehlungen der Berater. “Nach 15 Monaten Vorbereitung wurde die Bank nun nach funktionalen statt nach geografischen Kriterien organisiert, mit neuen Geschäftsfeldern für große Unternehmenskunden, für klein- und mittelständische Unternehmen und für Privatkunden”.

Als Folge der Reorganisation wurden die Geschäftsbereiche in Profitcenter umgewandelt, die aggressive Gewinn- und Wachstumsvorgaben erhielten. Die Citibank bzw. deren Vorläufer wurde in nur wenigen Jahren zur profitabelsten Bank der Vereinigten Staaten. Mit der Zeit weckte der Erfolg der Citibank den Neid der Mitbewerber, die ihrerseits begannen, ihre Banken im Sinne der Matrixorganisation umzugestalten. Besonders angetan von dem Modell waren neben der Citibank die Chase, die Continental Illinois und die Seattle First. Als der Chef der Citibank erfuhr, dass McKinsey das Matrixmodell bei den Mitbewerbern einführte, kündigte er den Beratungsvertrag[9]McKinsey und die Wall Street.

Bei der Continental Illinois stellten sich ähnliche Erfolge wie zuvor bei der Citibank ein: “1981 war die Bank der größte kommerzielle und industrielle Kreditgeber in den Vereinigten Staaten. Ihr Aktienkurs legte kontinuierlich zu, während die Aktien anderer Großbanken mehr oder weniger stagnierten”. Jedoch tauchten erste Warnzeichen auf. “Das Kreditgeschäft boomte, aber die Einlagen hielten damit nicht Schritt – was bedeutete, dass die Bank immer mehr Fremdkapital aufnahm .. . Viele der neuen Kredite wurden notleidend, vor allem in der für die Energiebranche zuständigen Kreditabteilung .. .”. Continental Illinois wurde bald darauf als erster Fall von “Too big to fail” bekannt[10]Continental Illinois Bank: Der erste Fall von “Too big to fail”.

Irgendwie könnte man den Eindruck gewinnen, dass bei McKinsey über die Jahre nur die Textbausteine ausgewechselt werden. Vielleicht ist es ja gerade diese Form von Kontinuität, die McKinsey für einige Kunden so attraktiv macht.

References

References
1 Vgl. dazu: Schwarzbuch McKinsey
2 Vgl. dazu: McKinsey – Hedgefonds: Durchwachsene Erfolgsbilanz und potenzielle Interessenkonflikte
3 Mit Banken lässt sich in Deutschland nur wenig Geld verdienen
4 Vgl. dazu: Deutschlands Banken und McKinsey zurück im Spiel?
5 Abgehängt mit McKinsey
6 vgl. dazu: THE EU BANKING REGULATORY FRAMEWORK AND ITS IMPACT ON BANKS AND THE ECONOMY , Improving the global competitiveness of the EU banking sector, Analysing differences in bank profitability: Europe versus the US
7 Das suchen französische Großbanken in Deutschland
8 Im Jahr 2008 urteile das ZEW: “Nach Ansicht der Experten ist der Erfolg der ausländischen Banken vor allem auf ihre Preisstrategie zurückzuführen. Aufgrund attraktiver Konditionen konnten sie insbesondere im Neukundengeschäft Marktanteile gewinnen. Die deutschen Banken konzentrieren sich hingegen überwiegend auf Bestandskunden. Da attraktiven Konditionen langfristig nur von Banken mit einer geringen Kostenbelastung angeboten werden können, ist der Erfolg der ausländischen Retailer stark mit deren Kosteneffizienz und Ertragsorientierung verbunden. Weitere leichte Vorteile haben ausländische Banken zudem beim Marketing, der Produkt- und Kundenstrategie. Ein deutlicher Wettbewerbsnachteil ist für die ausländischen Retailer hingegen ihre geringe Reputation. Bei der Reputation sehen die Finanzexperten die einheimischen Kreditinstitute im Vorteil. Die geringe Anzahl an Filialen und der Einsatz alternativer Vertriebswege scheint hingegen weder einen Vorteil noch einen Nachteil für ausländische Kreditinstitute darzustellen”, in: Trends im Retail-Banking: Ausländische Banken im deutschen Bankenmarkt
9 McKinsey und die Wall Street
10 Continental Illinois Bank: Der erste Fall von “Too big to fail”