Von Ralf Keuper
Als der damalige Apotheker-Gehilfe Theodor Fontane in den 1840er Jahren auf der Suche nach einem Verleger für seine deutsche Übersetzung des Gesellschaftsromans Der Geldverleiher von Catherine Gore war, stieß er auf Desinteresse. Erst 2021 sollte der Roman in deutscher Übersetzung in Buchform erscheinen. Darin beschreibt Catherine Gore „mit drastischem Realismus, spannend wie in einer kriminalistischen Handlung und aus tiefer Kenntnis die Gesellschafts- und Finanzwelt im viktorianischen England. Sie porträtiert in einer dramatischen Handlung das Sittenbild eines Zeitalters: voller Ständedünkel und antijüdischer Vorurteile“.
In den 1820er Jahren lässt sich Englands High Society ihren aufwendigen Lebensstil, bestehend aus Luxus, Spiel und Verschwendung, durch die Inanspruchnahme von Krediten finanzieren. Häufig war der verarmte Adel, aber auch der Hochadel, auf die Dienste von Geldverleihern angewiesen, die wiederum nicht selten jüdischer Herkunft waren. So wie der Geldverleiher A. O., Abednego Osalez, Sohn einer konvertierten jüdischen Familie aus dem spanischen Cádiz.
In dem Roman findet auch der aus verarmten Adel stammende Leutnant Basil Annesley den Weg zu dem verrufenen Geldverleiher A.O. Allerdings sind die 300 geliehenen Pfund nicht für das eigene Vergnügen gedacht; sie sollen stattdessen Basils verarmtem Heidelberger Künstlerfreund Verelst zugutekommen, der unter armseligen Bedingungen mit seiner Frau und den beiden Töchtern Esther und Salome als politischer Flüchtling in London sein Dasein fristet. Es stellt sich heraus, dass der Geldverleiher A. O. nicht nur der Lender of Last Resort der Londoner High Society, sonde…