Von Ralf Keuper

Der Erfolg von Microsoft ist, wie Jennifer Edstrom und Marlin Eller in ihrem Buch Barbarians Led by Bill Gates. Microsoft von innen betrachtet zeigen, nicht das Ergebnis einen genialen Plans oder einer bzw. mehrerer Eingebungen, sondern, wie so oft in der Wirtschaftsgeschichte, auf einige glückliche “Zufälle” und rasche Entscheidungen im richtigen Moment zurückzuführen. Damit soll keinesfalls die Rolle von Bill Gates, Paul Allen und Steve Ballmer klein geredet werden – im Gegenteil: Ihr, wenn man so will, unternehmerisches Genie bestand eben darin, die unerwarteten Gelegenheiten für sich zu nutzen, und – mindestens ebenso wichtig – Entscheidungen, die sich als falsch oder der Lange nicht mehr angemessen erwiesen, schnell und umfassend zu korrigieren.

Die Erfolgsformel von Microsoft:

Microsoft ist stets der Entwicklung hinterhergelaufen – ob bei den Netzwerksystemen, den Desktopanwendungen, den Online-Diensten, den Internet-Technologien oder den Web-Browsern. Und doch sind viele von Microsofts Konkurrenten auf der Strecke geblieben: VisiCorp, Lotus, Word Perfect, Novell, GO Corporation. Hierzu hatte es nur kommen können, weil Microsoft über etwas verfügte, an das kein anderes Unternehmen herankam, nämlich Windows, und das konnte sich Microsoft konkurrenzlos zunutze machen. Microsofts Erfolg hat Methode und läuft stets nach demselben Schema ab: Feststellen, wer das Rennen macht, und beschließen, die Konkurrenz zu kopieren, zu übernehmen oder zu vernichten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der Moloch sich wieder einmal in Bewegung setzte, als die Web-Browser populär wurden.

Maßgeblichen Anteil am Erfolg Microsofts hatte IBM; man kann sogar sagen, dass IBM erst Microsoft groß gemacht hat. Lange Zeit nämlich war Microsoft Zulieferer für IBM. Die Gründe, weshalb IBM die Dienste von Microsoft in Anspruch nahm, waren weniger technischer als vielmehr organisatorischer Natur:

Intern kannten die Microsoft-Entwickler den Grund, warum IBM die Arbeit delegierte – durch die hochheiligen Leitlinien und Verfahrensweisen wurden sie so langsam wie eine Schnecke. IBM hätte ein Jahr gebraucht, um den Code fertigzustellen, den Microsoft – die Sache mit Windows mal ausgenommen – in einem Bruchteil der Zeit lieferte. Was IBM tatsächlich durch die Verbindung mit Microsoft gewann, war die Möglichkeit, ihrer eigenen starren Hierarchie und ihrem extrem langsamen Entwicklungsprozess zu entrinnen. Daher machte IBM weiterhin Geschäfte mit Microsoft und kaufte deren Tools und Sprachen, einschließlich DOS;

Weiterer Erfolgsfaktor war das Marketing bzw. das Branding. Hierfür heuerte Gates Rowland Hanson an, der zuvor als Vizepräsident Marketing von Neutrogena, einem Hersteller von Seifen und Kosmetika, tätig war, und der von Computern oder Software nicht den Hauch einer Ahnung hatte. Aber das war auch nicht nötig und vielleicht sogar das Glück. Hanson sorgte zunächst einmal für eine einheitliche Corporate Identity:

Der Schlüssel für Microsofts und Hansons Erfolg bestand darin, eine Strategie hinsichtlich der Bezeichnungen für die Microsoft-Produkte zu verfolgen und die Marke in den Köpfen der Kunden zu verankern. An die Stelle der bloßen Bezeichnung “Word” trat der Name “Microsoft Word”. Aus “Multiplan” .. wurde “Microsoft Excel”. Hanson wusste, dass Produkte und Produktversionen kommen und gehen, dass aber der Handelsname “Microsoft” weiter bestehen würde.

Im Jahr 1984 brachte IBM eine eigene zeichenbasierte Multitasking-Oberfläche  – Top View – als Upgrade von DOS auf den Markt. Anders als viele seiner Entwickler erkannte Gates darin eine Gefahr für Windows:

Gates wusste besser als jeder andere, wieviel IBM’s Abglanz für Microsoft bedeutete. Als sich IBM 1981 für DOS entschied, wurde Microsoft über Nacht zu einer wichtigen Marktgröße. IBMs Macht auf dem Markt war so groß, dass es TopView wahrscheinlich mit all seinen Mängeln vermarkten konnte und Windows und jeden anderen Konkurrenten in Nullkommanichts vernichtete.

Gates beschloss dennoch, mit IBM bis auf weiteres zu kooperieren:

Obwohl Gates nicht so sehr in das präemptive Multitaksing verliebt war wie IBM, war er doch davon überzeugt, dass sich die Welt zu einem Betriebssystem im Protected Mode hin bewegen müsse. Aber er wollte den Weg nicht allein beschreiten. Das führte schließlich zu dem Joint Venture mit IBM für die Entwicklung der nächsten DOS-Generation namens OS/2 – eine Version im Protected Mode mit präemptivem Multitaksking. Unter den Umständen war Big Blue der geeignetste Partner, den man an seiner Seite haben konnte. Die Leute hörten vielleicht nicht auf Microsoft, aber jeder würde auf IBM hören.

Microsoft blieb also im Windschatten von IBM und ließ Big Blue den Markt bearbeiten. Parallel dazu waren Gates & Co. auf der Suche nach einem TopView-Klon. Bei der Firma Dynamical Systems Research (DSR) wurden sie fündig. Die Autoren schreiben, dass DSR wohl wichtigste Kauf von Microsoft gewesen ist. Er sollte die Zukunft von Microsoft für immer verändern.

Als IBM TopView ankündigte, konnte DSR wirklich laut lachen. Sie hatten einen Klon, der zweimal so schnell und nur halb so groß war. DSR wusste, dass IBM niemanden eine Lizenz für TopView erteilen wollte; sie wollten es für sich behalten. Das war die Gelegenheit für DSR, viel Geld zu machen.

Als weiterer Glückskauf erwies sich der Scroll Screen Tracer (SST)-Debugger, der von dem Physikprofessor Murray Sargent entwickelt wurde:

Ursprünglich wollte Microsoft Sargents Debugger nur für DOS, doch das Unternehmen erkannte bald, dass Microsoft zuerst die Hilfsprogramme für die Programmiersprachen im Protected Mode erstellen musste, wenn es ein Betriebssystem im Protected Mode entwickeln wollte, das sich auf OS/2 auswirken sollte.

Ebenso wie Microsoft war auch IBM bestrebt, die Abhängigkeit zu lockern:

IBM beharrte nicht nur darauf, seine eigene Grafik zu entwickeln, jetzt wollten sie auch noch die Namen aller Grafik-APIs ändern und sie somit mit Windows inkompatibel machen.

Schließlich konnten sich beide Seiten darauf einigen, gemeinsam den OS/2 Presentation Manager zu entwickeln, eine fensterartige Oberfläche für OS/2.

Mit der Übernahme von DSR kam auch Dave Weise an Bord. Weise war es, der, mehr oder weniger im Untergrund, daran arbeitete, Windows im Protected Mode zu betreiben. In einer Sitzung gelang es ihm, Gates von seiner Idee zu überzeugen.

Irgendwann drang die Neuigkeit zu IBM durch:

Als es endlich bis zu IBM durchgedrungen war, dass Windows im Protected Mode arbeitete, flippten die Herren in ihren blauen Anzügen aus. Ihre Verärgerung war jedoch etwas, was Gates nicht zu verstehen schien. Selbst wenn es jetzt eine neue Windows-Version gab – eine die im Protected Mode arbeitete -, setzte Gates noch immer darauf, dass OS/2 und nicht Windows die Zukunft von Microsoft war. Zumindest nach außen hin bezeichnete Gates Windows weiterhin als einen Platzhalter, bis OS/2 auf den Markt käme. Der einzige Unterschied bestand jetzt jedoch darin, dass der Platzhalter ein kleines bißchen besser war. … Windows 3.0 bot den Kunden mehr Arbeitsspeicher, und es konnte verschiedene Anwendungen wie Word und Excel unterstützen. OS/2 hingegen hatte Sicherheit und präemptives Multitasking, so wie es sich die IBM-Kunden wünschten.

Noch im Jahr 1989 forderte IBM Microsoft dazu auf, das Windows-Projekt zu stoppen, woraufhin Gates IBM die Treue schwor.

Als Glücksfall erwies sich der Umstand, dass Microsoft in der Lage war, Windows 3.0 zusammen mit Word, Excel und Power Point auszuliefern. Anderenfalls wäre die Geschichte wohl anders gelaufen:

Wenn es .. nicht die glückliche Fügung der Zusammenarbeit zwischen Weise und Sargent gegeben hätte, hätte Microsoft genauso gut einer von vielen Emporkömmlingen bleiben können und damit ein Sklave von IBM. Die Computerwelt wäre dann von OS/2 und nicht von Windows regiert worden.

 

Ein Gedanke zu „“Barbarians Led by Bill Gates. Microsoft von innen betrachtet” von Jennifer Edstrom u. Marlin Eller“

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