Von Ralf Keuper
Es ist selten von Vorteil, wenn eine Branche den Wirtschaftsstil, das Wirtschaftsmodell eines Landes dominiert, wie die Automobilindustrie in Deutschland. Daraus entstehen unweigerlich Pfadabhängigkeiten, d.h. die Gesellschaft als Ganzes oder eine Region haben sich auf die Bedürfnisse einer Branche oder eines großen Unternehmens so perfekt eingestellt, dass ein Wechsel auf andere Branchen, wenn überhaupt, nur mit großem Aufwand, finanzieller und zeitlicher Art, vollzogen werden kann. Beispielhaft dafür ist das Ruhrgebiet, obschon man hier mittlerweile hausgemachte Probleme mit in Rechnung stellen muss. In der Organisationsforschung ist in dem Zusammenhang auch von transaktionsspezifischen Investitionen oder Sunk Costs die Rede.
Je erfolgreicher ein Geschäftsmodell, eine Strategie war, um so schwerer fällt es, auf neue Marktbedingungen zu reagieren. Beispielhaft dafür ist das Innovator’s Dilemma. Es scheint so, als dass die deutsche Automobilindustrie ihre Innvovationskraft und Wandlungsfähigkeit über die Jahrzehnte eingebüsst hat. Der Dieselskandal und der aktuelle Kartellverdacht sind dafür nur die aktuellen Indizien (Vgl. dazu: Dudenhöffer sieht Erschütterung für die Autoindustrie).
Die Branche hat sich zu lange auf ihre Sonderstellung und die guten Beziehungen zur Politik verlassen und dabei aus dem Blick verloren, dass über die Zukunft der Branche nicht in Deutschland und nicht einmal in Europa entschieden wird. Über die Jahre hat die Politik, sowohl auf Landes- wie auch auf Bundesebene, der Automobilindustrie eine Art Bestandsschutz gewährt. Dass dies für die Innvovationsfähigkeit einer Branche auf Dauer nicht von Vorteil ist, bedarf eigentlich kaum einer Erwähnung.
Selbst Bundeskanzlerin Merkel ist der Überzeugung, dass die deutsche Automobilindustrie in ihrer heutigen Form nicht überleben wird.
Wohl keine Region in Deutschland würde den Strukturwandel in der Automobilindustrie so sehr zu spüren bekommen, wie Baden-Württemberg. Der Beitrag Stürmische Zeiten in der FAZ vom 20.05.17 schildert den Transformationsprozess, der in Baden-Württemberg einsetzt. Sollten sich Elektroautos durchsetzen, sieht es für die Automobilzulieferer schlecht aus, da E-Autos nur einen Bruchteil der Komponenten benötigen, wie ein Automobil mit Verbrennungsmotor (Vgl. dazu: Elektroautos bringen Existenznot und So wirkt sich E-Mobilität auf Zulieferer aus).
Der Betriebsratsvorsitzende der Daimler-Werke im Neckartal, Wolfgang Nieke, wird mit den Aussage zitiert:
Was auf uns zukommt, ist die größte technologische Veränderung der letzten vierzig Jahre.
Das dürfte kaum übertrieben sein.
Wenn neben den strategischen und technologischen Herausforderungen noch Skandale die Schlagzeilen beherrschen, steckt die Vorzeigebranche in einem echten Dilemma. Häufig sind das sichere Indizien für den Niedergang.
Weitere Informationen:
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