Von Ralf Keuper

In letzter Zeit konnte man den Eindruck gewinnen, dass einige Branchen bei der Auslegung und Gestaltung des Wettbewerbsrechts einen Sonderstatus für sich beanspruchen. Anscheinend ist Wettbewerb nur dann gewünscht, wenn er den eigenen Zwecken dient, weniger jedoch, wenn er dazu zwingt, sich auf neue Herausforderungen einzustellen. Exemplarisch dafür ist die Automobilindustrie. Im Zeitalter der Digitalisierung und Globalisierung stößt der Lobbyismus an natürliche Grenzen. Auf Dauer kann sich keine Branche dem Veränderungsdruck entziehen; je länger dieser Wandel hinausgezögert wird, um so schmerzhafter ist das Erwachen.

Wie auch immer. In einem Interview mit der FAZ äußerte der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, sein Unbehagen darüber, dass einige Branchen hierzulande versuchen, das Wettbewerbsrecht zu verwässern. Besonders aktiv, so Mundt, sind dabei staatsnahe Branchen sowie Verlage und Zeitungshäuser. Letzteres überrascht ein wenig, da in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen ansonsten die Vorzüge des Wettbewerbs herausgestellt und der mangelnde Reformwille in der Politik kritisiert wird. Verständlich, dass der Interviewer diesen Punkt nicht weiter vertiefen wollte 😉

FAZ: Kurz vor der Bundestagswahl rufen mehrere Branchen nach kartellrechtlichen Ausnahmen. Wir das Wettbewerbsrecht durchlöchert?

Mundt: Klar ist jedenfalls: Wettbewerb ist und bleibt der absolute Treiber für Innovation, gute Produkte und niedrige Preise. Auch wenn Unternehmer aus dem Silicon Valley und sogar vereinzelte Wissenschaftler in Deutschland das Gegenteil behaupten – ich staune nur noch. Ihre eigene Branche, die Zeitungen und Verlagshäuser, hat in der letzten GWB-Novelle ja selbst einige Wünsche durchgesetzt. Und solche Forderungen nehmen zu. Generell fällt auf, dass häufig staatsnahe Branchen, an denen der Staat beteiligt ist, besonders laut rufen – und damit auch Erfolg haben. Wettbewerb ist unbequem, sie bevorzugen den komfortablen Weg.

FAZ: Was meinen Sie damit?

Mundt: Zum Beispiel die gesetzlichen Krankenkassen, als sich sich über Zusatzbeiträge abstimmten. Oder die kommunalen Wasserversorger, die sich erfolgreich einer kartellrechtlichen Gebührenkontrolle entzogen haben. Die Sparkassen, die im GWB eine kartellrechtliche Freistellung für Kooperationen bei Backoffice-Lösungen durchgesetzt haben. Die Forstverwaltungen, für die wegen eines Verfahrens das Bundeswaldgesetz geändert wurde. Aktuell betreiben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine Änderung des Rundfunkstaatsvertrags. Da kommt was zusammen. 

Quelle: “Digitale Welt erfordert neue Antworten”, FAZ vom 18.08.2017

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