Von Ralf Keuper

Ein wichtiges Buch, zum richtigen Zeitpunkt – das schon mal vorab. In Euro-Tsunami. Europa wird im Geld ertrinken zeichnet Patrick Bernau, Leiter der Wirtschafts- und Finanzredaktion der Online-Ausgabe der FAZ, akribisch die Ursachen der gegenwärtigen Staatsschuldenkrise, die eigentlich nur eine logische Fortsetzung der von vielen schon als überwunden geglaubten Finanzkrise von 2008 ist, nach. Mehr noch: historischer Ausgangspunkt der Analyse ist der Börsencrash von 1987, der – rückblickend – als Blaupause für das nachfolgende Krisenmanagement der Notenbanken, insbesondere der amerikanischen unter ihrem legendären Chef Alan Greenspan, gelten kann.  

Jener nämlich sah sich im Jahre 1987 gezwungen, die Märkte durch eine Politik des billigen Geldes zu beruhigen, um so dem in der USA seit der Weltwirtschaftskrise von 1929 verbreiteten Trauma der Deflation entgegenzuwirken. Die Operation gelang – zunächst. Jedoch einmal „auf Drogen“ und an das zinsgünstig zu leihende Geld gewöhnt, war es nur allzu verlockend, zumal die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt und das steigende Bruttoinlandsprodukt Kritik verstummen ließen, denselben „Trick“ bei jeder der sich dann in immer kürzeren Abständen anschließenden Krisen oder besser: geplatzten Blasen  anzuwenden. Ungeachtet der Tatsache, dass die Geldmenge dadurch in einem immer größeren Missverhältnis zur Wirtschaftsleistung trat, ein Umstand auf den schon der legendäre Irving Fisher warnend hinwies, fluteten die Notenbanken die Märkte mit frischem Geld, indem sie die Zinsen niedrig hielten.  
 
Es war der, inzwischen wieder zu neuen Ehren gelangte, Krisentheoretiker unter den Ökonomen, Hyman Minsky, der nicht müde wurde zu betonen, dass zu viel Geld zwangsläufig Blasen erzeuge. Wie wir in den letzten Jahren sehen konnten, war hiervon vor allem der Immobilienmarkt betroffen – zuerst in den USA und mittlerweile in fast noch größerem Ausmass in Spanien und Irland. Denn anders als von den Notenbankern beabsichtigt, floss das zinsgünstig von den Banken geliehene Geld in jenen Ländern nicht (oder nur kaum) in langfristige Anlageinvestitionen der Betriebe, sondern in den Kauf von Immobilien durch Privathaushalte. So wurde für viele der Traum von einem Eigenheim Realität, ehe er sich später in einen Albtraum verwandelte. 
Seitdem nun in den Ländern der „Peripherie“ die Immobilienpreise im Sturz- und die Arbeitslosenzahlen im Steigflug sind, sucht sich das immer noch reichlich vorhandene Geld  einen neuen Zufluchtsort, den es, wie u.a. die Target2-Salden nahelegen, in Deutschland gefunden zu haben glaubt. 

Hierzulande sorgt die enorme „Überschuss-Liquidität“, um im Jargon der Notenbanker zu formulieren, für wenig Beunruhigung. Gerne wird in dem Zusammenhang auf die niedrige Inflationsrate verwiesen. Nur liegt da nicht das Problem, zumindest nicht in der gängigen Betrachtungsweise. Wahr ist, dass die Preise in Deutschland, nicht zuletzt aufgrund der moderaten bis kaum vorhandenen Lohnsteigerungen, nur gering gestiegen sind. Dabei wird eine weitaus gefährlichere Variante der Inflation, die Vermögensinflation, außer acht gelassen, was um so erstaunlicher ist, da die Finanzkrise bei den Immobilien ihren Ausgang nahm. 
 
Ähnlich wie Patrick Bernau argumentierte Mark Dittli auf dem Blog „Never Mind The Markets“ 
 
So stellt Dittli mit Blick auf Irland und Spanien fest: 

Für beide war die Geldpolitik der EZB in den frühen Jahren der Währungsunion viel zu expansiv, das Zinsniveau war für ihre Wirtschaftsdynamik zu niedrig. In beiden Ländern lösten die tiefen Zinsen einen kolossalen Immobilienboom aus, der sich, angetrieben von einem wildgewordenen Bankensystem, zu einer kreditgetriebenen Spekulationsblase ausweitete 

Ein Schicksal, das auch Deutschland blühen könnte:
Was aber soll das Deutschland angehen? Nun, Deutschland ist heute dort, wo Spanien vor zehn Jahren stand: Die Geldpolitik der EZB ist heute zu expansiv für die deutsche Wirtschaft.
Was der Autor allerdings vergessen hat zu erwähnen, ist, dass die Situation auf dem schweizer Immobilienmarkt nicht minder brisant ist 😉 
 
Für Patrick Bernau steht fest, dass die größte Gefahr von steigenden Vermögenspreisen ausgeht – allen voran Immobilien. 
So kommt er zum Schluss wieder zurück an den Ausgangspunkt, mit der treffenden Diagnose: 
Wir haben längst keinen Brand mehr zu löschen – die Eurozone steht vielmehr in der Gefahr, im Geld zu ertrinken.
Einige Autoren sehen dagegen die eigentliche Ursache von Finanz- und Immobilienblasen in der wachsenden Ungleichheit in der Bevölkerung. 
 

 

Bleibt die Frage: Welche Therapie ist angezeigt?

 

 
Zunächst müsste der Wirtschaft die überschüssige Geldmenge – in wohl dosierten Schritten – entzogen werden. Langfristig wird sich das Problem aber wohl nur lösen lassen, wenn das viele Geld wieder in die „Realwirtschaft“, d.h. in langfristige Anlageinvestitionen und/oder in die Wagnisfinanzierung fließt. Ob sich das allerdings mit den Renditeerwartungen der Akteure deckt … 
Insgesamt also ein Buch, das auf nur 49 Seiten viel zum besseren Verständnis der gegenwärtigen wie auch der möglicherweise noch bevorstehenden Krisen beiträgt. Ein „Gewinn“ ist die Lektüre für den aufmerksamen Leser allemal.

 

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