Von Ralf Keuper
Der flächendeckende Einsatz der Informationstechnologie übt auf die Produktivität der Unternehmen nicht immer den gewünschten Effekt aus. Es gibt sogar Stimmen, die behaupten belegen zu können, dass die Verwendung neuester Computer- und Kommunikationstechnologien der Produktivität abträglich ist. Bekannt wurde dieses Phänomen als “Produktivitätsparadoxon der IT“.
Als Gründe werden genannt (Quelle: Wikipedia)
- Verzögerung zwischen IT-Einsatz und Wirkung (Nutzer müssen erst mit dem neuen System umgehen lernen)
- Managementfehler und unzureichende Nutzung der Potentiale beim Einsatz der Technologie
- Gewinndistribution zwischen Unternehmen und Unternehmensteilen
- Negative Auswirkungen des Informationszuwachses
- Negative Auswirkungen durch den Aufwand der mit der Einführung der Technologie erforderlichen Reorganisation der Arbeitsabläufe
- Weiterentwicklung von Software mit vergleichsweise geringem Effektivitätszuwachs bei stark steigenden Hardwareanforderungen und hohem Anpassungsaufwand.
Mit der Verbreitung von Industrie 4.0 zeichnet sich ein weiteres Produktivitätsparadoxon der IT an, wie u.a. in Die Schattenseite der Digitalisierung und Das Produktivitätsparadoxon berichtet wird.
Am ZEW wurde eigens das Projekt Produktivitätsparadoxon im Maschinenbau aufgelegt.
Neue Digitalisierungsanwendungen bergen hohe Innovationspotenziale für den deutschen Maschinenbau, die sich auch in einer höheren Produktivität niederschlagen sollten. Viele dieser Potenziale werden schon heute von im Maschinenbau tätigen Unternehmen genutzt und sind ein wesentlicher Treiber der Umgestaltung von Produktionsprozessen im Rahmen des “Industrie 4.0” Paradigmas. Die Schere zwischen großen Innovationspotenzialen und eher schwacher Produktivitätsentwicklung stellt ein Paradoxon dar, das in dieser Studie empirisch analysiert werden soll.
Weiterhin:
Eine Analyse auf Unternehmensebene steht im Zentrum der Studie. Sie ermöglicht es festzustellen, ob das Phänomen einer rückläufigen Produktivität sich auch auf Unternehmensebene zeigt oder ob es von strukturelle Verschiebungen innerhalb des Maschinenbaus getrieben wird. Dementsprechend lässt sich zum Beispiel untersuchen, ob die Gesamtheit von Maschinenbauunternehmen von einer rückläufigen Produktivitätsentwicklung betroffen ist oder das Phänomen sich auf wenige (große) Unternehmen oder bestimmte Sparten innerhalb des Maschinenbaus begrenzt.
Zu einer eher nüchternen Bewertung des Produktivitätsparadoxons kommt Nico Stehr:
Das Produktivitätsparadoxon kann besser verstanden werden, wenn man drei empirische Tatsachen anerkennt: Erstens, hoch qualifizierte Arbeitskräfte gabe es schon vor der verbreiteten Einführung und Anwendung der Informationstechnologie. Zweitens, der wachsende Anteil an der Erwerbsbevölkerung und die wachsende Bedeutung von hoch qualifizierten Arbeitskräften ist nicht Ausdruck der Nachfrage nach diesen Arbeitskräften, sondern Ergebnis einer(autonomen, das heisst gesellschaftlich bedingten) Veränderung der zur Verfügung stehenden Anzahl solcher Arbeitskräfte. Und drittens, die Informationstechnologie hilft den Unternehmen und der Leitung von Firmen mit den steigenden Arbeitskosten mitzuhalten beziehungsweise sie zu kompensieren. Das Produktivitätsparadoxon kann somit einen Beitrag zum Verständnis dafür leisten, dass wir uns nicht mit einer technologisch induzierten Transformation von der Industriegesellschaft zur “Informationsgesellschaft” konfrontiert sehen, sondern vielmehr mit einem gesellschaftlich bedingten Übergang von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft. Und es ist in diesem Sinn, dass wir ein neues, modernes Zeitalter erreicht haben (Quelle. Wissen und Wirtschaften. Die gesellschaftlichen Grundlagen der modernen Ökonomie)