Um mit der Entwicklung im Banking, vor allem was die technologischen Aspekte betrifft, Schritt zu halten, sind einige Banken in den letzten Jahren dazu übergegangen, Innovation Labs zu gründen. Das wohl bekannteste hierzulande ist das DZ Innovation Lab. Im Gespräch erläutert Dirk Elsner (Foto), Senior Manager Innovation & Digitalisierung bei der DZ Bank, u.a. womit sich das DZ Innovation Lab beschäftigt, weshalb die Digitalisierung häufig überzeichnet wird, welchen Einfluss die neuen Herausforderer, insbesondere aus dem asiatischen Raum, auf das Banking haben und welche Rolle das local branding in der Plattformökonomie übernehmen kann. Dirk Elsner betreibt seit 2008 den mehrfach ausgezeichneten Blog Blicklog, auf dem er sich schwerpunktmäßig mit dem Banking, aber auch mit anderen Themen beschäftigt, wie der Frage, ob und inwieweit sich die Evolutionstheorie auf die Ökonomie übertragen lässt. Daneben schreibt er noch regelmäßig Beiträge für Capital, Börse Online und den hauseigenen Innovationsblog der DZ Bank Gruppe.
- Dirk, was genau macht das DZ Innovation Lab, welche Rolle hast du darin?
Wir verstehen das Innovation LAB der DZ BANK als ein internes Accelerator-Programm für die DZ BANK Gruppe. Das bedeutet, Fachbereiche der DZ BANK AG und Unternehmen der Gruppe, wie Union Invest, R+V Versicherung oder Teambank können das Lab nutzen, um in drei Monaten mit agiler Methodik und der Unterstützung von Entwicklern von der Idee zum Prototyp mit realem Kundenfeedback zu gelangen.
Wichtig ist uns dabei, dass die Fachbereiche und Gruppenunternehmen nicht nur Themenvorschläge einreichen, sondern auch mindestens einen Product Owner ins LAB senden. Sie oder er sorgt als Inhaber der Vision von Beginn an für eine enge Verzahnung mit dem Fachbereich und für den entsprechenden fachlichen Input. Dies erhöht die Akzeptanz deutlich im Vergleich zu auf der grünen Wiese entwickelten Themen, mit denen die Fachbereiche erst nach Fertigstellung in Verbindung kommen.
Wir haben das Konzept gemeinsam mit einer Unternehmensberatung entworfen und arbeiten ständig an Verbesserungen. Ganz operativ coachen meine Kollegen und ich die Teams, nehmen an den Daily Standups und an den Sprint Reviews teil, veranstalten gemeinsame Workshops, wie z.B. zur Businessplanung und sorgen für die Vernetzung nach innen und außen. Pro Woche hat die praktische Arbeit rund um das LAB einen Zeitanteil zwischen fünf und zehn Stunden.
- Was sind deiner Meinung nach die größten Veränderungen im Banking seit 2008?
Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. In unserer digitalen Filterblase sehen wir eine Fülle neuer Trends und Technologien und viele herausfordernde neue Mitspieler am Finanzmarkt. Wer hätte schon gedacht, dass Technologieunternehmen wie Ant Financial Konsumentenkredite im Gegenwert von fast 100 Milliarden US Dollar vergeben würde oder ein Unternehmen wie PayPal dreimal so viel Wert sein würde, wie die Deutsche Bank?
Schaut man andererseits, was beim durchschnittlichen Bankkunden ankommt, dann nutzen diese die Angebote nur in homöopathischen Dosen. Vielen neuen Leistungen, die Fintechs und Banken anbieten, gelingt aus verschiedensten Gründen noch nicht die erhoffte Marktdurchdringung
Wichtig ist aber, dass die Banken die Notwendigkeiten der Digitalisierungen mittlerweile sehr ernst nehmen . Die Berührungsängste, sich mit neuen Technologie auseinanderzusetzen sind praktisch nicht mehr vorhanden. Ebenso erwähnenswert ist die offene Zusammenarbeit mit Startups. So ausgeprägt, wie ich das mittlerweile erlebe, gab es das 2008 nicht. Bekanntlich hatte der Finanzsektor damals aber auch andere Probleme.
- Die meisten Fintech-Startups sehen sich inzwischen als Partner der Banken. Wie macht sich das bei eurer Arbeit im Innovation Lab bemerkbar?
Wir sehen die Fintechs, mit denen die Gruppe zusammenarbeitet bzw. die Teams im Lab zusammenarbeiten, ebenfalls als Partner. Das läuft sehr professionell, oft aber auch unkomplizierter als mit traditionellen Dienstleistern ab. Es ist aber nicht so, dass alle Teams mit Fintechs zusammenarbeiten, sondern nur da, wo es passt. Wir sorgen aber auch für entsprechende Vernetzung, wenn wir ein Fintech sehen, dessen Thema zu den Lab-Teams passen.
- Wie verläuft der Austausch des DZ Innovation Lab mit den Genossenschaftsbanken, der DZ Bank Gruppe und der Fiducia GAD IT AG – ist das eher informell, sporadisch oder gibt es eingespielte Verfahren, Gremien?
Im Innovationsmanagement gibt es vielfältige Vernetzungen unter den Unternehmen der genossenschaftlichen Finanzgruppe. So veranstalten wir gemeinsam mit der Fiducia GAD IT AG, der ADG den GENOHackathon für die genossenschaftliche Finanzgruppe. Daran nehmen Mitarbeiter aus all diesen Unternehmen sowie aus etwa 30 Volksbanken teil. Daneben gibt es Formate wie einen monatlichen Innovation Round Table, in dem wir uns gegenseitig über neue Entwicklungen austauschen. Bei Anfragen haben wir einen kurzen Weg in das Innovationsmanagement der Fiducia GAD IT AG.
Bei Themen im Lab, die für die Genossenschaftsbanken relevant sind, beziehen wir ausgewählte Institute und sogar auch deren Kunden mit ein in die Prototypphase.
Um die Entwicklung von Innovationen zu fördern und den Teilnehmern des GENOHackathon zusätzliche Anreize zu bieten, ist außerdem für 2018 der Start des neuen Formats GENOlab geplant. Über einen Zeitraum von drei Monaten sollen ein Team auf Basis der Hackathon-Ergebnisse dort einen Prototyp entwickeln und diesen mit Kunden testen. DZ BANK Gruppe und Fiducia & GAD IT AG wollen für das GENOlab jeweils bis zu zwei Entwickler stellen sowie Unterstützung, unter anderem durch Innovation Coaches. Die ADG bietet für die Teilnehmer parallel dazu eine Zertifizierung zum Innovationsmanager an.
- Große Uneinigkeit herrscht derzeit noch bei der Einschätzung von Bitcoin und der Auswirkungen der Blockchain-Technologie. Wie siehst du das bzw. welche Position vertritt das Innovation Lab?
Wie auch andere Institute unterscheiden wir hier, und zwar zwischen Kryptowährungen und Anwendungen der Blockchain-Technologie. Mit den Kryptowährungen selbst beschäftigt sich derzeit vor allem das Research der Bank. Mit potenziellen Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain-Technologie dagegen verschiedene Fachbereiche. Hier wird bereits an Prototypen gemeinsam mit anderen Banken gearbeitet. Ein Beispiel ist das Thema Fördermittel Blockchain, ein Prozess um die Abwicklung von Förderkrediten zwischen den verschiedenen beteiligten Banken und Förderinstituten zu vereinfachen. Auf dem 4. GENOHackathon wurde ein Team aus DZ BANK, Fiducia GAD IT AG, Bausparkasse Schwäbisch Hall und der KfW ausgezeichnet. Die Kollegen der DZ BANK wollen nun ins Innovation LAB einziehen. Ich hoffe, dass das klappt.
Ansonsten sehe ich persönlich, dass sich mit ICOs das Crowdinvesting bereits kurz nach seiner Entstehung modernisiert. Sieht man mal von den Wildwest-Aktivitäten der Anfangsphase ab, dann verbirgt sich unter dem ICO-Konzept ein ausgesprochen interessanter Kern, mit dem sich auch die Banken im Rahmen der regulatorischen Vorgaben beschäftigen sollten.
- Welche Trends beobachtet ihr – wonach richtet ihr euch dabei?
Wir beobachten sehr viele Trends und setzen dazu seit zwei Jahren einen Trendradar ein. Dort haben wir gerade erst ca. 200 beobachtete Trends und Technologien neu sortiert. Dieser wird dezentral von Trendscouts und den Fachleuten aus der gesamten DZ BANK Gruppe befüllt und bewertet. Es ist wichtig, dass man für die Trendbeobachtung und Bewertung die kollektive Intelligenz nutzt. Niemand hat heute mehr einen tieferen Überblick über alle neuen Themen und deren Relevanz für praktische Einsatzmöglichkeiten.
- Gibt es Trends im Banking oder die das Banking betreffen werden, die für euch herausragen (Mega Trends)?
Schwierige Frage, denn es in diesen Zeiten des digitalen Schlagwortstakkatos und der Filterblasengar nicht so einfach, die relevanten Megatrends herauszufiltern. Einfach nur die Digitalisierung und die darunter vereinten Subtechnologien zu nennen, hilft heute nicht weiter. Unter Trends wie Blockchain oder Künstliche Intelligenz verstecken sich Dutzende von Subtrends, die sich deutlich voneinander unterscheiden. Es wird daher immer wichtiger, Technik und Fachleute enger zusammenzubringen. Immer häufiger sieht man, dass pfiffige Technologien nach Anwendungsmöglichkeiten und Fachleute nach Lösungen suchen. Oft wissen aber die Fachbereiche noch nicht, welche neuen Technologien ihnen helfen könnten. Umgekehrt wissen die Techniker nicht, welche fachlichen Probleme ihre Angebote lösen können. Tech und Business werden also enger zusammenwachsen. Ich nenne das Tech2Business.
Daneben sehen wir gesellschaftliche Megatrends, wie New Work, Urbanisierung oder den demografischen Wandel. Alle werden großen Einfluss auf das Banking haben.
- Die große Stärke der Genossenschaftsbanken besteht in ihrer Verwurzelung in der Region, in ihrem direkten Draht zum Kunden. Wie können die Genossenschaftsbanken diese Wettbewerbsvorteile in das Internet übertragen?
Ich war auch vor meiner Zeit in der genossenschaftlichen Finanzgruppe davon überzeugt, dass im Bankwesen immer auch der persönliche Kontakt bzw. die Möglichkeit zum persönlichen Kontakt eine wichtige Rolle spielen. Es gibt viele Eigenschaften und Werte im Zusammenleben von Menschen, die sich nicht digitalisieren lassen. Diese gilt es im Zusammenspiel genauso auszuspielen, wie die Bindung zum lokalen Unternehmen. Eine der Herausforderungen dürfte es sein, das “local branding” und die genossenschaftlichen Werte in eine neue Plattformökonomie zu übertragen.
- Die großen Internetkonzerne wie Google, Amazon, Alibaba, Apple und Tencent rücken immer weiter in das Banking vor. Dabei können sie sich auf große Skalen und Verbundeffekte stützen. Wie können die Banken auf Dauer dagegen bestehen?
Zunächst einmal glaube ich nicht mehr, dass es zur Kernstrategie der GAFAs gehört, ins Bankgeschäft einzudringen. Sie entwickeln dann Finanzdienstleistungen, wenn sie ihre Kerngeschäfte durch Defizite bei Zulieferern (und dazu können auch Finanzdienstleister gehören) gefährdet sehen. PayPal ist ein gutes Beispiel dafür. PayPal wurde ja bekanntlich groß, als die Auktionsplattform eBay einen bequemen internationalen Zahlungsservice suchte, den Banken damals so nicht boten.
Anders sieht es aus bei den asiatischen BATs. Die sind richtig starke Player, auf die wir hier noch zu wenig achten. Sie haben Banken in ihren Heimatregionen bereits nennenswertes Geschäft abgenommen und sind längst im Banking angekommen. Im Gegensatz zu vielen anderen glaube ich nicht, dass sich die BATs, die sich langsam aber beharrlich auch in Europa ausbreiten (siehe Beteiligung von Tencent an N26), nur auf ihre asiatischen Kunden spezialisieren. Banken müssen hier sehr wach bleiben und können vor allem von den Ökosystemen, die Tencent und Ant Financial aufgebaut haben, viel lernen.
- Du beschäftigst dich seit Jahren auf deinem privaten Blog Blicklog mit der Übertragung der Evolutionslehre auf die Ökonomie und damit auch auf das Banking. Was macht dieses Thema für dich so spannend?
Als ich vor einigen Jahren über das Buch “Die soziale Eroberung der Erde” von Edward O. Wilson den Einstieg in die moderne Evolutionsbiologie gefunden habe, hat mich das Feld gepackt. Die aus der Biologie und Neurobiologie abgeleiteten Erkenntnisse erklären nach meiner Auffassung viel besser Veränderungen und das menschliche Verhalten auch in der Wirtschaftspraxis als traditionelle ökonomische Modelle. Sie machen beispielsweise deutlich, dass das was Ökonomen gern Verhaltensanomalien oder kognitive Verzerrungen nennen, oft kein irrationales Verhalten ist, sondern zu unserem biologischen Programm gehört. Das betrifft auch Verhaltensmuster wie Gier und Angst. Der US-Ökonom Andrew Lo hat z.B. herausgearbeitet, dass selbst ökonomisch rationale Entscheidungen ohne solche Emotionen nicht möglich wären.
Eine sehr wichtige Erkenntnis ist außerdem, dass nicht das egoistische Gen, sondern kooperatives Verhalten bei der Gattung Mensch zum Kern der modernen Evolutionsbiologie gehört. Wissenschaftler können anhand der Natur und Simulationen zeigen, dass Gruppen von kooperativen Menschen Gruppen von Egoisten überlegen sind. Damit fundieren diese Ansätze wissenschaftlich auch ganz hervorragend die genossenschaftlichen Werte.
- Wie könnte das Banking in fünf Jahren aussehen?
Ich bin ja kein Mensch, der Prognosen mag, weil die sich in der Regel als falsch erweisen. Wie Dubeschäftige ich mich ja mit Fintech und Digitalisierung nicht erst seit gestern. Und überlege mal, was aus all den Prognosen von vor fünf Jahren bis heute geworden ist! Nicht viel, wenn man sich etwa das mobile Bezahlen in Deutschland ansieht.
Die Struktur im Banking wird also mit hoher Wahrscheinlichkeit noch so aussehen wie heute. Aber ich bin ziemlich sicher, dass sich ein oder zwei, vielleicht drei neue Player unter den Top 25 Finanzdienstleistern etabliert haben könnten.
Ich erwarte ansonsten keine revolutionären Sprünge, dafür weiter evolutionäre Entwicklungen. Nicht mehr ganz so neue Technologien wie Blockchain und maschinelle Intelligenz werden sich breiter in der Praxis verankern und neue Dienste, wie z.B. Identitätsservices werden sich vermutlich etabliert haben. Daneben werden Finanzdienstleister in der End-to-End-Digitalisierung ihrer Prozesse weit fortgeschritten sein.
- Dirk, besten Dank für das Gespräch!
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