Sie verschlingen Milliarden von Steuergeldern und produzieren wissenschaftliche Exzellenz am Fließband – doch gesellschaftliche Innovationen bleiben aus. Deutschlands große Forschungsgesellschaften sind zu Selbstzweckinstitutionen verkommen, die trotz beeindruckender Budgets und Publikationszahlen beim Transfer ihrer Erkenntnisse in konkrete Lösungen versagen. Eine Analyse des systemischen Versagens und der Notwendigkeit externer Disruption.


Die deutschen Forschungsgesellschaften Fraunhofer, Helmholtz und Leibniz stehen vor einer Legitimationskrise. Trotz wissenschaftlicher Exzellenz und steigender öffentlicher Finanzierung schaffen sie es nicht, ihre Forschungsergebnisse in gesellschaftlich relevante Innovationen zu überführen. Was ursprünglich als Motor der deutschen Innovationslandschaft konzipiert war, ist zu einem bürokratischen Koloss geworden, der mehr Probleme schafft als löst.

Das Transfer-Paradox

Die Ironie ist kaum zu übersehen: Deutschland investiert Milliarden in Spitzenforschung, doch die Brücke zur praktischen Anwendung bricht regelmäßig zusammen. Die Fraunhofer-Gesellschaft, eigentlich für anwendungsorientierte Forschung konzipiert, kämpft mit restriktiven Ausgründungsbedingungen, die Deep-Tech-Start-ups ersticken, bevor sie entstehen können. Während MIT und Stanford als regelrechte „Gründungsmaschinen“ fungieren, schaffen es deutsche Spitzeninstitute nicht einmal, ihre eigenen Lizenzierungsmodelle international wettbewerbsfähig zu gestalten.

Die Helmholtz-Gemeinschaft mag forschungsstark sein, doch bei EU-Projekten übernimmt sie seltener die Führungsrolle als erwartet. Interne Evaluierungen offenbaren eine heterogene Forschungsleistung und mangelhafte Koordination zwischen den Zentren. Die Leibniz-Gemeinschaft kämpft mit ähnlichen Problemen: Regelmäßige Evaluierungen fordern immer wieder eine Schärfung des Profils und stärkere gesellschaftliche Relevanz – ohne dass sich grundlegend etwas ändert.

Systemische Anreizverflechtungen

Das eigentliche Problem liegt tiefer: Die Incentive-Strukturen sind fundamental falsch ausgerichtet. Forscher und Institutsleiter werden primär nach wissenschaftlichen Publikationen und Drittmitteleinwerbung bewertet, nicht nach realem Innovationsoutput oder gesellschaftlicher Wirkung. So optimiert das System systematisch am Ziel vorbei.

Rankings und Evaluierungen verschärfen diese Perversion noch. Sie messen die falschen Parameter und belohnen publikationsfähige Forschung statt echter Problemlösung. Das Ergebnis: selbstreferentielle akademische Zirkel statt gesellschaftlicher Relevanz. Die Institute sprechen mehr über Input – Budgets, Personal, Publikationen – als über Output in Form konkreter Innovationen, Beschäftigungseffekte oder gelöster gesellschaftlicher Probleme.

Die Transformationsresistenz gewachsener Strukturen

Jahrelange Reformversuche sind größtenteils verpufft. Die Institute gelten als transformationsresistent, geprägt von übermäßiger Bürokratie, Intransparenz und zentralisierter Governance. Interne Reformbemühungen versanden regelmäßig in endlosen Kommissionen und Arbeitsgruppen, während die Grundprobleme bestehen bleiben.

Diese Transformationsresistenz ist kein Zufall, sondern systemlogisch: Solange die staatliche Grundfinanzierung gesichert ist und keine existentiellen Konsequenzen drohen, gibt es wenig Anreiz zur grundlegenden Veränderung. Die gewachsenen Strukturen haben ihre eigene Trägheit entwickelt, die durch wohlklingende Jahresberichte und akademische Selbstdarstellung kaschiert wird.

Nur externer Druck bringt Bewegung

Kosmetische Reformen reichen nicht mehr aus. Was die deutsche Forschungslandschaft braucht, sind radikale strukturelle Eingriffe von außen. Interne Reformfähigkeit ist bei diesem Verkrustungsgrad nicht mehr vorhanden.

Knallharte Budgetkürzungen bei Instituten ohne nachweisbare Transfererfolge könnten schnell Bewegung bringen – nicht nach Jahren der Evaluierung, sondern sofort und spürbar. Erfolgsbasierte Finanzierung, bei der 50% des Budgets an messbare gesellschaftliche Impacts gekoppelt sind, würde die Prioritäten über Nacht verschieben.

Marktmechanismen müssen Einzug halten: Unternehmen und Investoren sollten mit ihrem Geld entscheiden, welche Forschung gesellschaftlich relevant ist. Keine staatlichen Garantien mehr für Grundfinanzierung ohne Gegenleistung. Personelle Konsequenzen für Institutsleiter ohne Transfererfolge wären ein weiteres wirksames Instrument.

Disruption statt Reform

Am wirksamsten wäre jedoch echte Disruption: neue, agile Forschungseinrichtungen etablieren, die von vornherein auf Transfer ausgelegt sind. Internationale Player nach Deutschland holen, die demonstrieren, wie effektiver Technologietransfer funktioniert. Die alten Strukturen dann schlicht „verhungern“ lassen, statt sie endlos zu reformieren.

Die deutschen Forschungsgesellschaften sind in ihrer aktuellen Form mehr Problem als Lösung geworden. Sie binden Ressourcen, die anderswo produktiver eingesetzt werden könnten, und blockieren durch ihre schiere Größe und politische Vernetzung echte Innovationen. Nur radikaler externer Druck kann diese verkrusteten Strukturen noch aufbrechen und den Weg für eine wirklich innovative Forschungslandschaft freimachen.

Die Zeit der sanften Reformen ist vorbei. Deutschland braucht den Mut zur schöpferischen Zerstörung seiner Forschungsbürokratie – bevor andere Länder endgültig davonziehen.


Quellen:

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