Im ersten Jahrhundert ihrer Herrschaft (1757-1857) waren die Briten in Indien weniger eine administrative, als eine erobernde Macht, und die Ostindien-Kompanie war ein Garnisonsstaat der in erster Linie für den Krieg organisiert war. Am Ende dieser Zeitspanne hatten sie jede nennenswerte regionale Macht auf dem indischen Subkontinent besiegt, annektiert oder unterworfen. Zum Teil verfolgten sie damit strategische Motive (eine Absicherung gegen russische oder französische Interventionen). Die riesige Armee der Kompanie (auf dem Höhepunkt über 300.000 reguläre Soldaten) mit ihrem unersättlichen Bedarf an Beutegut und Sold bewirkte ebenfalls eine Vorwärtsbewegung. In der Tat ließ der Umstand, dass die Kriege der Kompanie sich selbst trugen, die Wirkung der Proteste Londons gegen eine weitere Expansion verpuffen. London befürchtete nämlich, dass der Staat der Kompanie sich selbst in den Ruin treibe und dadurch eine neue Krise im Mutterland auslösen werde, vergleichbar mit der Krise der 1770er und 1780er Jahre. Die Männer vor Ort befürchteten hingegen ihrerseits, dass ihre Besitztümer, die in der Form des Hufes über ganz Indien verstreut lagen, den schwer bewaffneten Gefolgsleuten zum Opfer fallen könnten, die viele Fürsten unterhielten. Welches Motiv nun den Ausschlag gegeben hatte, die Kriege der Ostindien-Kompanie erreichten ein entscheidendes Ereignis: Nach 1860 verfügte kein indischer Staat mehr über die nötigen Mittel, um politische Unruhen in einem von den Briten regierten Gebiet auszulösen oder um den Widerstand auf regionaler Ebene zu organisieren. Mit der Zerschlagung der fürstlichen Ambitionen hatten die Briten die indische Politik extrem stark lokalisiert. Auf lange Sicht und bei den weniger ruhmreichen Kampagnen der administrativen Eroberung sollte sich das als ein gewaltiger Vorteil erweisen. Natürlich wurde im nördlichen Binnenland Britisch-Indiens, in >>Hindustan<<, diese Eroberung durch eine massive Erhebung unterbrochen, den großen Aufstand von 1857. Aber erstaunlicherweise hielt sich ein großer Teil des Gerüsts, wenn nicht sogar das ganze, der Company-Herrschaft.

Quelle: Das unvollendete Weltreich. Aufstieg und Niedergang des Britischen Empire 1600 – 1997