Wolfgang Schieren, der von 1983 bis 1991 als Vorstandsvorsitzender der Allianz Versicherungen amtierte, prägte das Unternehmen durch einen Führungsstil, der in der zeitgenössischen Wirtschaftspresse intensiv diskutiert wurde. Das Manager Magazin widmete ihm 1985 eine Titelgeschichte unter der Überschrift „Die schiere Macht“ und berichtete über seine Führungsmethoden, die ihm in Wirtschaftskreisen den Spitznamen „der General“ einbrachten.
Führungsstil und Machtkonzentration
Die Wirtschaftspresse der 1980er Jahre beschrieb Schierens Führungsansatz als stark zentralistisch. Das Manager Magazin berichtete im Februar 1985, dass Vorstände „kurz gehalten“ würden und Kontakte zur Presse seiner Genehmigung bedurften. Der Artikel charakterisierte ihn als „mittelgroßen, eher unauffälligen Mann mit leiser Stimme und eisernem Willen“, der sich „mit kompromisslosen, oft harten Entscheidungen Respekt“ verschaffte und seine Mitarbeiter durch „überraschende autoritäre Befehle“ schockierte.
Unter Schierens Führung expandierte die Allianz erheblich und baute ein ausgedehntes Netz von Beteiligungen an Banken und Industrieunternehmen auf. Diese Expansion machte ihn zu einer der einflussreichsten Figuren der deutschen Wirtschaft jener Zeit. Gleichzeitig wurde sein Führungsstil von Beobachtern als stark hierarchisch und auf seine Person konzentriert wahrgenommen.
Die Debatte um Führungskultur
Zeitgenössische Kommentatoren diskutierten Schierens Führungsansatz kontrovers. Einige Stimmen in der Wirtschaftspresse stellten Fragen zur Kontrollstruktur im Konzern und zur Rolle von Vorstand und Aufsichtsrat. Die Konzentration von Entscheidungsbefugnissen auf eine Person wurde als potentielles Risiko für die Unternehmensführung thematisiert.
Der mittelgroße, eher unauffällige Mann mit der leisen Stimme und dem eisernen Willen verschaffte sich von Anfang an mit kompromisslosen, oft harten Entscheidungen Respekt. Er blieb für seine Mitarbeiter unberechenbar und schockierte sie häufig durch überraschende autoritäre Befehle. Auch seine Vorstände hält der Allianz-General kurz. Kontakte nach außen, etwa mit der Presse, müssen von ihm genehmigt werden – und das kann dauern[1]in: Die schiere Macht. Manager Magazin 2/1985.
Der Wechsel an der Spitze
Ein bemerkenswerter Vorgang ereignete sich im Zusammenhang mit der Nachfolgeplanung. Friedrich Schiefer war als designierter Nachfolger Schierens vorgesehen, schied jedoch vor dem geplanten Führungswechsel aus dem Unternehmen aus. Die genauen Umstände und Gründe für diesen Personalwechsel wurden seinerzeit nicht öffentlich kommuniziert, was in der Wirtschaftspresse zu Spekulationen führte.
Dieser Vorgang wirft Fragen zur Transparenz von Führungsentscheidungen in Großkonzernen auf – eine Debatte, die bis heute in der Corporate-Governance-Diskussion relevant ist. Die fehlende öffentliche Kommunikation über bedeutende Personalentscheidungen auf Vorstandsebene stand im Kontrast zu den sich entwickelnden Standards der Unternehmenskommunikation.
Lehren für moderne Unternehmensführung
Die Diskussion um Schierens Führungsära berührt Fragen, die für die Unternehmensführung von bleibender Relevanz sind:
- Machtkonzentration vs. Kontrolle: Wie viel Macht sollte bei einzelnen Führungspersonen konzentriert sein? Welche Kontrollmechanismen sind notwendig?
- Transparenz: Inwieweit müssen bedeutende Personalentscheidungen und ihre Hintergründe kommuniziert werden?
- Führungskultur: Welcher Führungsstil fördert langfristig Innovation, Mitarbeiterentwicklung und unternehmerischen Erfolg?
- Corporate Governance: Welche Rolle spielen Aufsichtsgremien bei der Überwachung von Vorstandsvorsitzenden?
Diese Fragen haben seit den 1990er Jahren zu erheblichen Reformen in der deutschen Corporate Governance geführt, einschließlich des Deutschen Corporate Governance Kodex, der Standards für Transparenz und Kontrollmechanismen definiert.
Historische Einordnung
Schierens Amtszeit fiel in eine Epoche, in der die deutsche Wirtschaft noch stärker von patriarchalischen Führungsstrukturen geprägt war als heute. Die Debatten um seinen Führungsstil spiegeln einen Wandel wider, der sich in den folgenden Jahrzehnten vollzog: hin zu mehr Transparenz, stärkeren Kontrollmechanismen und partizipativeren Führungsansätzen.
Die Geschichte der Allianz unter Wolfgang Schieren bleibt ein interessantes Fallbeispiel für die Diskussion über Führungsstile, Machtstrukturen und Corporate Governance in deutschen Großkonzernen – eine Diskussion, die bis heute fortdauert und sich weiterentwickelt.
References
| ↑1 | in: Die schiere Macht. Manager Magazin 2/1985 |
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