Von Ralf Keuper

Ein Szenario, wie man es sich vor einigen Jahren nicht hätte vorstellen können, wird Realität: Ausgerechnet im Datenschutz, einer der letzten noch verbliebenen „Kernkompetenzen“, verliert Deutschland den Anschluss. Die Führung übernehmen derweil die US-amerikanischen Internetkonzerne wie Apple, Google und facebook.

Während die hiesige Wirtschaft, insbesondere die Verlage und die Werbeindustrie, mit der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und der ePrivacy-Richtlinie fremdeln, gehen facebook, Google und Amazon in die Offensive, wie die New York Times in Tech Giants Brace for Europe’s New Data Privacy Rule berichtet. Grund dafür ist wohl kaum eine Begeisterung für das Thema Datenschutz  und Privatheit, sondern nüchternes betriebswirtschaftliches Kalkül. Facebook & Co wissen, dass die Zeiten des weitgehend ungehinderten Zugangs zu den personenbezogenen Daten der Nutzer sich dem Ende nähern und die Akzeptanz der Öffentlichkeit gegenüber Geschäftsmodellen, die fast ausschließlich auf der Verwertung personenbezogener Daten beruhen, schwindet. Sie können es sich leisten, sich von dem alten Geschäftsmodell sukzessive zu verabschieden und sich neu zu positionieren. So übernahm Facebook in der vergangenen Woche das Startup für Digitale Identitäten Confirm.io. mit der Begründung, die Nutzer vor Identitätsdiebstahl zu schützen. Der namhafte Verlag Reed Elsevier gab gestern die Übernahme des Digital ID-Unternehmens ThreatMetrix bekannt. Das Unternehmen will sich verstärkt auf das Feld Risikoanalyse und Cybersicherheit konzentrieren und die Abhängigkeit vom klassischen Mediengeschäft weiter verringern.

Apple präsentiert sich bereits seit einigen Jahren als Bewahrer der Privatheit der Nutzer (Vgl. dazu: Apple’s ‚Differential Privacy‘ Is About Collecting Your Data—But NotYour Data). Über die wahren Motive lässt sich streiten; Apples Data Privacy – Politik wird von einigen als unzureichend und Etikettenschwindel kritisiert (Vgl. dazu: How One of Apple’s Key Privacy Safeguards Falls Short). Jedoch zeigen einige aktuelle Aktionen, dass man bei Apple den Weg konsequent beschreitet, wie in iOS 11.3 soll Datenzugriff durch Apple klar kennzeichnen zu erfahren ist.

Beiträge wie Apple vs. Google vs. Microsoft: which company handles your data better? zeigen, dass die Diskussion um den Datenschutz die amerikanischen Konzerne schon seit einiger Zeit beschäftigt und sie sich auch auf diesem Feld einen Wettlauf liefern.

In Deutschland herrscht diesbezüglich eher Flaute. Welches namhafte Unternehmen aus Deutschland wird in Sachen Datenschutz und Data Privacy auf globaler oder europäischer Ebene als Technologieführer wahrgenommen? Es bleibt bei zaghaften Versuchen und Ankündigungen. Stattdessen werden ausländische Unternehmen unter Generalverdacht gestellt, ohne es jedoch selber besser machen zu können oder zu wollen. Eher ist man geneigt, hinter den Stand von Facebook & Co. zurückzufallen, wie am Beispiel der ePrivacy-Richtlinie deutlich wird, die vielen Verlagen ein Dorn im Auge ist. Sie bedrohe ihr Geschäftsmodell und spiele facebook und Google in die Hände. Da fragt man sich: Warum haben es die deutschen Medienkonzerne nicht vermocht, den Schutz der personenbezogenen Daten zum Kernbestandteil ihres Geschäftsmodells zu machen? Wieso behindern sie nutzerfreundliche Innovationen? Eine der wenigen Ausnahmen ist der Burda-Verlag, der mit seinem Startup Bot Labs auf die Blockchain-Technologie setzt (Vgl. dazu: Warum Blockchain das Potenzial hat, Facebook und Google zu ersetzen). 

Bereits 2015 beklagte Alesksandra Sowa in Bau ab, bau ab, bau ab!, dass Deutschland seine Vorreiterrolle im Datenschutz zu verlieren drohe. Da drängt sich als Parallele die Automobilindustrie und ihre Abneigung gegen den Elektromotor auf.

Die deutsche Wirtschaft ist auf dem besten Wege, in ihren Kerndisziplinen den Anschluss zu verlieren. Es wird vergeblich versucht, den Wettbewerb von den tradierten Strukturen und informellen Netzwerken fernzuhalten. Der Versuch, die alte Deutschland AG wieder zu beleben.

Den Erfolg der deutschen Wirtschaft führen viele auf den herausgehobene Stellung des Mittelstandes zurück. Zwar hat die deutsche Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten im Bereich B2C, wie in der Unterhaltungselektronik, das Feld Räumen müssen, im Segment B2B dagegen sei man noch immer stark. Als Systemintegrator seien die deutschen Unternehmen gefragt.

Nur – das Modell des Systemintegrators basiert in wesentlichen Teilen darauf, dass andere die Technologien und Produkte entwickeln, die der Systemintegrator verfeinert. Wenn es aber nichts mehr zu integrieren gibt, da die Produkte und Technologien bereits mit den nötigen Merkmalen, wie Data Privacy, ausgestattet sind, was bleibt dann noch für den Systemintegrator, den Optimierer, der in gewisser Weise von den technischen und Verfahrensmängeln der anderen lebt?

Das alte Erfolgsmodell der deutschen Wirtschaft, die anderen die Hochtechnologie entwickeln zu lassen, und dann selbst in der Anwendung und Optimierung zu brillieren, funktioniert bald nicht mehr.

Wir müssen eigene Technologien erschaffen. Darauf zu warten, dass die anderen uns die Brocken über den Zaun werfen, ist mehr als riskant. Ein Weg ist die Blockchain-Technologie wie überhaupt die Anwendungen aus dem Umfeld der Distributed Ledger Technologies.

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