Verdreifachter Quartalsgewinn bei BMW – ein Triumph der Verbrenner-Strategie? Die Wahrheit ist komplexer und beunruhigender. Während die Erfolgsmeldungen durch die Schlagzeilen rauschen, kämpft der Münchner Traditionskonzern mit einer tickenden Zeitbombe: 77 Milliarden Euro Schulden, ein schwächelnder China-Markt und die fundamentale Frage, ob die Transformation zur Elektromobilität gelingen kann – oder ob es bereits zu spät ist.
Es sind Zahlen, die Anlegerherzen höher schlagen lassen: BMW hat seinen Quartalsgewinn verdreifacht. In den Wirtschaftsredaktionen wird bereits triumphierend kommentiert, der bayerische Autobauer beweise, dass das Festhalten am Verbrennungsmotor die richtige Strategie sei. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Diese Deutung ist nicht nur vereinfacht – sie ist gefährlich irreführend.
BMW-Chef Oliver Zipse zeichnet in seinem Quartalsbericht ein differenzierteres Bild. Der Gewinnanstieg, so betont er, resultiere aus einem „technologieoffenen Ansatz“, aus Effizienzprogrammen, straffem Kostenmanagement und einer konsequenten Elektrifizierungsstrategie. Tatsächlich entwickelte sich der Bereich elektrifizierter Fahrzeuge stark, der Absatz wuchs über alle Modellreihen. BMW setzt nicht auf den Verbrenner allein, sondern auf ein hybrides Geschäftsmodell – eine Mischung aus traditionellen Antrieben, Hybrid-Technologie und reiner Elektromobilität.
Das Jubeln über einen vermeintlichen Verbrenner-Triumph greift also zu kurz. Es verkennt die strategische Realität eines Konzerns, der sehr wohl verstanden hat, dass die Zukunft elektrisch sein wird – auch wenn er sich den Weg dorthin offenhält.
Doch genau diese vermeintlich kluge Doppelstrategie könnte sich als strategische Falle erweisen. BMW versucht, auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen – und droht darüber die Balance zu verlieren. Während chinesische Hersteller wie BYD ihre gesamte Energie in die Elektromobilität stecken und Tesla konsequent seinen Vorsprung ausbaut, zersplittert BMW seine Ressourcen. Entwicklungskapazitäten, Produktionslinien, Marketingbudgets, Forschungsgelder – alles muss doppelt vorgehalten werden. Für Verbrennungsmotoren, für Elektromotoren, für Hybridtechnologie. Das Unternehmen kann seine ganze Kraft weder auf dem einen noch auf dem anderen Markt konzentrieren. Es kämpft an zwei Fronten gleichzeitig – und verliert auf beiden an Boden.
Bei genauerer Betrachtung offenbart sich ein weiteres strukturelles Problem: Der aktuelle Gewinnanstieg speist sich maßgeblich aus Effizienzprogrammen und Kostensenkungen. Was kurzfristig die Bilanz aufpoliert, ist langfristig eine Sackgasse. Irgendwann ist alles eingespart, was sich einsparen lässt. Irgendwann ist das Fett weg, und weitere Kürzungen gehen an die Substanz – an Forschung, Entwicklung, Innovation. Quartalsgewinne lassen sich nicht auf Dauer durch Sparprogramme steigern. Wachstum braucht Investitionen, neue Produkte, neue Märkte. Genau hier liegt das Dilemma: BMW muss massiv investieren, während die Erträge schrumpfen und die Doppelstrategie jeden Investitions-Euro halbiert.
Denn hinter der glänzenden Gewinnfassade türmen sich dunkle Wolken auf. China, einst Wachstumsmarkt schlechthin, entwickelt sich zum Albtraum. Der Absatz bleibt hinter den Erwartungen zurück, besonders bei vollelektrischen Premiummodellen. BMW sah sich gezwungen, die Absatzprognose für das vierte Quartal zu senken – ein alarmierendes Signal. Gleichzeitig setzen steigende Einfuhrzölle die Margen unter Druck, geopolitische Unsicherheiten erschweren die Planbarkeit.
Und dann ist da noch die finanzielle Hypothek: Rund 77 Milliarden Euro Gesamtschuld lasten auf dem Konzern. Eine Summe, die in ihrer Dimension kaum fassbar ist. Der freie Cashflow wird 2025 deutlich geringer ausfallen als erwartet – während gleichzeitig massive Investitionen in Elektromobilität und Technologieentwicklung notwendig sind. BMW bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen Transformation und Überforderung.
Die Frage, die sich stellt, ist existenziell: Kann BMW den Spagat schaffen zwischen kurzfristiger Profitabilität und langfristiger Überlebensfähigkeit? Der verdreifachte Quartalsgewinn mag beruhigend wirken, doch er kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es wirklich eng wird. Die Herausforderungen sind strukturell, die Verschuldung hoch, der Zeitdruck immens. Und Kostenmanagement allein wird BMW nicht retten – im Gegenteil: Es verschafft nur Zeit, die der Konzern dringend nutzen muss, um die Weichen für morgen zu stellen.
BMWs Zukunft hängt nicht davon ab, ob der Konzern weiterhin Verbrennungsmotoren baut – sondern davon, ob die Transformation zur Elektromobilität gelingt, bevor der chinesische Markt und die eigene Schuldenlast zum Verhängnis werden. Der aktuelle Erfolg ist keine Garantie. Er ist bestenfalls eine Atempause.