Von Ralf Keuper

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erkannten führende preußische Regierungsbeamte die Bedeutung technologischer Innovationen für den Wohlstand einer Nation. Neidisch blickte man in Berlin auf die dynamische Entwicklung der industriellen Massenfertigung im englischen Königreich. Um nicht völlig den Anschluss zu verlieren, beschloss die preußische Regierung, Technikern ausgedehnte Studienreisen nach England zu finanzieren mit der klaren Absicht, sich das dortige Know How anzueignen und nach Preußen zu transferieren. Ein Beispiel von mehreren ist der Maschinenbaupionier Franz Anton Egells. Treibende Kraft für diesen ersten größeren Fall moderner Wirtschaftsspionage war Christian Peter Wilhem Beuth, auch “Vater der preußischen Gewerbeförderung” genannt. Als Organisator des Technologietransfers aus dem Ausland ist er einer der Wegbereiter der industriellen Fertigung auf deutschem Boden.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts büßte England seinen enormen technologischen Vorsprung zusehends ein. Zwar gelangen britischen Unternehmern und Technikern immer wieder bahnbrechende Neuerungen, wie die Erfindung künstlicher Farbstoffe, es fehlte jedoch die Übersetzung in Wirtschaft und Gesellschaft, d.h. es blieb bei isolierten Aktionen, es fehlte das, was im sozialwissenschaftlichen Sprachgebrauch auch Systemresponsivität heisst. Demgegenüber wählten die Deutschen, Franzosen und Schweizer  einen systematischen Ansatz. In Deutschland konnten Unternehmen wie BASF, Höchst und Agfa laut David Landes deshalb die Führung bei der industriellen Fertigung synthetischer Farbstoffe übernehmen, da sie bereits über einen großen Pool erstklassig ausgebildeter Chemiker und Chemieingenieure sowie eigene Labors verfügten und überdies intensive Beziehungen zu Universitäten pflegten. Diese Kombination aus Begabungspool, unternehmerischer Initiative und forschungsorientierter Wissenschaftskultur war es nach Landes dann …

Ein Gedanke zu „Innovationen: Typisch deutsch“

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