Von Ralf Keuper

Am heutigen Montag findet an der Universität Witten/Herdecke eine Diskussion mit dem Titel “Charisma macht nicht Unternehmer außergewöhnlich erfolgreich, sondern außergewöhnlicher Erfolg macht Unternehmer charismatisch“ statt. Ausgerichtet wird die Veranstaltung von dem Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung.

Gegenstand der Diskussion ist ein Aufsatz, den Alfred Kieser und Fabiola Gerpott in der Zeitschrift für Managementforschung veröffentlicht haben.

Fragen, die dabei bzw. darin zur Diskussion gestellt werden:

Welche Rolle spielt die Gründer- oder Unternehmerpersönlichkeit wirklich? Welche Vorstellungen von Erfolgsbedingungen kursieren in der Gründerszene? Wieviel Ideologie steckt in Seminaren, Förderprogrammen und Start-up-Veranstaltungen? Wofür kann und soll Entrepreneurship stehen? Und was ist eine unternehmerische Universität?

In dem Abstract schreiben die Autoren:

Herausragende Erfolge von Unternehmern werden oft mit ihrem Charisma erklärt. Im Gegensatz dazu argumentieren wir, dass Erfolg die Zuschreibung von Charisma begründet. Die Verfechter der unternehmerischen Ideologie nutzen den erfolgreichen charismatischen Entrepreneur als Vorbild zur Motivation angehender Unternehmer – trotz gegenläufiger Informationen wie die Rolle des puren Glücks in der Erklärung von Unternehmerkarrieren, die niedrige Erfolgsquote von Startups, des begrenzten Einflusses des Unternehmers bei der Schaffung ökonomischen Wachstums und die Routinisierung der unternehmerischen Funktion. Wir stellen heraus dass aufgrund der ideologischen Funktionalität der Zuschreibung von Charisma zu erfolgreichen Unternehmern die Verehrung von Entrepreneuren – ungeachtet gegenläufiger Informationen – in Zeiten „alternativer Fakten“ weiter erfolgen wird (und sich eventuell sogar noch verstärkt). Eine derartige Strategie der voreingenommenen Fakteninterpretation kann allerdings beachtliche negative Auswirkungen für die Gesellschaft und Individuen mit unternehmerischem Streben haben. Aus diesem Grund erhoffen wir uns nicht nur mehr Forschung mit dem Ziel einer multidimensionalen Betrachtung des Unternehmertums, sondern sensibilisieren Wissenschaftler auch für die Gefahr postfaktischen Denkens bei der Durchführung von Forschung in einem ideologisch verklärten Wissenschaftsgebiet.

Die Zuschreibung, von der Kieser und Gerpott sprechen, lässt sich momentan sehr gut an der Person von Elon Musk, dem Gründer von Tesla, verdeutlichen. Die Elogen auf das Charisma dieses außergewöhnlichen Unternehmers bzw. Gründers nehmen schon groteske Züge an, die an blinde Heldenverehrung erinnern. Das hat durchaus Parallelen mit dem Gedicht Des Kaisers neue Kleider von H.C. Andersen.

Für einen ähnlichen Erklärungsansatz wie der von Kieser und Gerpott steht der Halo-Effekt. Auch hierbei geht es in erster Linie um Zuschreibungen außergewöhnlicher Erfolge zu Personen, obwohl häufig günstige Umstände verantwortlich waren.

Wie sehr der Erfolg von Unternehmern vom Zufall abhängt, lässt sich besonders gut an Microsoft festmachen. Damit soll keineswegs die Rolle des Unternehmers gering geschätzt werden – nur sind es häufig externe Faktoren, die für den Erfolg im hohen Maß mitverantwortlich sind und nicht das sog. Charisma eines Einzelnen. Das kommt – im Erfolgsfall –  erst später bzw. wird nachträglich hinzu interpretiert.

Ein erfolgreicher Unternehmer, der sich – trotz seiner eigenen unbestreitbaren Verdienste – des Faktors Glück bewusst war, war Heinz Nixdorf, der in einem Gespräch mit dem manager magazin einmal sagte, hätte er sich nur einige Jahre später selbständig gemacht, wären seine Chancen gleich null gewesen. Damals hätten nur wenige etwas von dem Wort Elektronik gehört; noch weniger wussten damit etwas anzufangen.

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