Von Ralf Keuper

Die Machtposition der Internetkonzerne, wie Google, Apple, Amazon, facebook und Alibaba, wird vielen Kommentatoren immer unheimlicher. Schon tauchen Forderungen nach einer Zerschlagung auf, wie in Brecht die Macht der Internetkonzerne!. Mit Hilfe des Kartellrechts soll, wie seinerzeit im Fall von AT&T und Standard Oil, die Marktdominanz der Internetkonzerne gebrochen werden. Etwas differenzierter argumentiert Ulrich Schäfer in Fangt die Internetgiganten ein!. Darin fordert er einen neuen Ordnungsrahmen für die digitale Wirtschaft sowie die (Rück-)Besinnung auf die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft. Die Internetkonzerne sollen sich ihrer Verantwortung für das Gemeinwohl stellen. Große Bedeutung hat dabei der Datenschutz. Die Verwertung bzw. Ausbeutung der personenbezogenen Daten der Nutzer ohne Regeln, wie seinerzeit die Landnahme der Viehbarone im Wilden Westen, müsse gestoppt werden.

Der Grund für den Aufstieg der Internetkonzerne

Bevor wir Maßnahmen ergreifen, um die Marktmacht von Google & Co. einzudämmen, sollten wir zunächst die Frage klären, weshalb sie überhaupt so groß werden konnten. Sie sind deshalb so erfolgreich, weil sie ihren eigenen Markt kreiert, und die Chancen, die sich ihnen zu Beginn des Internets boten, konsequent genutzt haben – im Gegensatz zu den damals noch dominierenden Medienkonzernen wie Bertelsmann und News Corporation, die zulange an ihrer Branchenlogik festgehalten haben. Im Jahr 1998 war Amazon ein unbedeutender Online-Händler und Bertelsmann der führende Medienkonzern Europas. Heute, nur 20 Jahre später, hat Amazon Bertelsmann weit überflügelt und zu einem Zulieferer degradiert. Facebook ist noch jüngeren Datums als Amazon.

Kurzum: Amazon & Co sind so stark, weil die anderen Unternehmen an ihren Geschäftsmodellen, die lange funktioniert hatten, festhielten. Insofern handelt es sich um funktionierenden Wettbewerb. Während die Platzhirsche davon ausgingen, dass neue Mitbewerber ein ähnliches Geschäftsmodell verfolgen würden, wie sie selber, haben Google, Amazon und facebook ein neues Modell kreiert: die Plattformökonomie, wofür der möglichst uneingeschränkte Zugriff auf Daten der Motor ist.

Kartellrecht in Zeiten der Plattform- und Datenökonomie

Versuche, dieses Modell durch politische Eingriffe zu ändern, werden fehlschlagen. Selbst wenn es gelänge Google oder Amazon zu zerschlagen, wäre der Erfolg gering. Wer könnte Google darin hindern, neue Geschäftsfelder zu gründen, die schnell wieder zu einer dominierenden Stellung gelangen würden? Was ist mit Nvidia? Wie könnten europäische Konzerne davon profitieren, ohne selber über das nötige technische und organisatorische Know How zu verfügen? Wie soll das gehen? Auch der Hinweis darauf, dass die Europäer in der industriellen Fertigung führend sind und daher über einen wichtigen Wettbewerbsvorsprung verfügen, greift zu kurz. Sicher – der  Industrial Data Space und gemeinsame Plattformen, wie die von Software AG, DMG Mori, Zeiss und Dürr – sind geeignete Mittel, um die Datensouveränität zu behalten und nich in die Abhängigkeit von Amazon oder Alibaba zu geraten. Das alleine, die Konzentration auf den B2B-Sektor, wird jedoch nicht reichen, worauf Holger Schmidt in „In 10 Jahren werden sich die deutschen Industrieplayer fragen, warum sie nicht die führende Plattform für Maschinen aufgebaut haben” hinweist. Ein Blick auf die Alibaba-Plattform zeigt, wo das Problem bzw. die Herausforderung liegt:

Quelle: Dr. Holger Schmidt

Wenn jeder Industriekonzern oder auch mehrere zusammen, mit eigenen, proprietären Lösungen an den Start gehen, zersplittern sie ihre Kräfte, wenn sie ein echtes Gegengewicht zu Amazon oder Alibaba bilden wollen. Nötig ist die Einigung auf offene Standards und einige wenige Plattformen, je nach Branche. Die Blockchain-Technologie könnte sich hierbei als wichtig erweisen, da sie dem europäischen Ansatz, der dezentral und föderativ geprägt ist, besonders gut entspricht. Nötig ist also der Spagat zwischen so wenig Zentralisierung wie nötig und so viel Dezentralisierung wie möglich. Zentralisierung alleine wird nicht funktionieren, dafür sind Amazon und & Co. zu stark, dafür kommt die Plattformökonomie ihrem Geschäftsmodell zu sehr entgegen. Dezentralisierung auf der anderen Seite ist irgendwann auch kontraproduktiv und führt zur Verzettelung. Vorbild könnte die Hanse, die erste Netzwerkorganisation der Geschichte, sein.

Datenschutz als Standortvorteil

Noch vor gar nicht allzu langer Zeit war in den Medien zu vernehmen, dass Fragen des Datenschutzes oder der Privatheit für die Menschen im Internetzeitalter keine große Bedeutung habe. Es sei ein typisch deutsches Phänomen bzw. Problem. Um mit den großen Playern wie Google mithalten zu können, müssten wir unsere Bedenken über Bord werfen und dem Nutzerkomfort im Zweifel eine höhere Priorität als der Sicherheit gewähren. Datenschutz sei letztlich innovationsfeindlich. Eine Aussage, die sich aktuell in der Studie Wirtschaftliche Auswirkungen der Regelungen der ePrivacyVerordnung auf die OnlineWerbung und werbefinanzierte digitale Geschäftsmodelle wieder findet. Darauf entgegnete die Bundesbeauftragte für den Datenschutz:

Ich hätte mir gewünscht, dass man für eine Studie über die Auswirkungen der E-Privacy-Verordnung einen ausgewogeneren Ansatz gewählt hätte. Leider wurde die Chance vertan, im Rahmen der Studie beispielsweise auch neue Geschäftsmodelle mit datenschutzfreundlicherem Tracking des Nutzerverhaltens zu beleuchten. Das in der Studie skizzierte düstere Szenario dürfte daher niemanden überraschen, greift aber zu kurz. Ich bin der festen Überzeugung, dass Internetnutzerinnen und -nutzer frei entscheiden sollten, ob ihr Surfverhalten gespeichert und analysiert werden darf. Dieses grundlegende Recht wird keineswegs zum Untergang der Werbewirtschaft und damit des Internets führen. Die Werbewirtschaft hat es jahrelang versäumt, freiwillige Maßnahmen wie die „Do-not-Track“-Einstellung in Browsern effektiv umzusetzen. Nun darf man sich nicht beschweren, wenn der Gesetzgeber dieses Manko behebt.

Zu den Kritikern der ePrivacy-Verordnung zählen übrigens auch viele Verlage, wie die FAZ oder G+J.

Wer glaubt, mit den Internetkonzernen über eine Schwächung des Datenschutzes konkurrieren zu können, hat die Lehren aus den letzten Jahren noch nicht gezogen. Auf diesem Gebiet sind die Unternehmen chancenlos. Punkt.

Nötig ist daher der Aufbau einer europäischen Variante der Datenökonomie und damit, wie es Google & Co. vorgemacht haben, einen neuen Markt zu schaffen, auf dem wenig bis gar keine Konkurrenz besteht. Der Wert der Daten als Währung muss anerkannt und durch die Gründung entsprechender Institutionen, wie Personal Data Banks oder Identity Data Banks, unterstützt werden.

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